Sonderteffen Merkel und Sarkozy: Zwei erste Geigen

Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy sprechen sich für eine "Wirtschaftsregierung" in der Euro-Zone aus. Eurobonds lehnen sie strikt ab.

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy suchen nach einem Ausweg aus der Schuldenkrise. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy haben sich für die Schaffung einer "tatsächlichen Wirtschaftsregierung" in der Euro-Zone ausgesprochen. Wie Sarkozy am Dienstag in Paris bei einem Sondertreffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch mitteilte, sollen sich alle 17 Euro-Länder zudem noch vor Ablauf des Sommers 2012 auf eine Schuldenobergrenze einigen, die in allen nationalen Verfassungen festgeschrieben sein soll. Die Einführung von Eurobonds zum gegenwärtigen Zeitpunkt lehnen Merkel und Sarkozy strikt ab.

Sie glaube nicht, dass solche gemeinsamen Staatsanleihen bei der Bewältigung der gegenwärtigen Euro-Schuldenkrise hilfreich seien, sagte Merkel. Viele würden die Eurobonds als letztes Mittel zur Euro-Rettung bezeichnen. Sie glaube weder, dass Europa auf letzte Mittel angewiesen sei, noch auf Paukenschläge. Sarkozy lehnte am Dienstag gemeinsame europäische Staatsanleihen zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls ab. "Vielleicht kann man sich in Zukunft irgendwann am Ende eines Prozesses der europäischen Integration solche Bonds vorstellen", sagte er. "Aber nicht zu Beginn."

Für den französischen Präsidenten war das Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits Teil des Wahlkampfs. Der französische Präsident will im kommenden Frühjahr wiedergewählt werden, und dafür muss er schleunigst seine Glaubwürdigkeit verbessern. Zurzeit liegen seine Umfragewerte im Keller - gerade mal 30 Prozent der Franzosen wollen ihn weiterhin im höchsten Staatsamt sehen. Dass sich das ändert, dazu soll auch Angela Merkel ihren Teil beitragen.

"Sarkozy steht das Wasser bis zum Hals. Er verspricht sich von dem Treffen mit Merkel Entscheidungen, die ihm innenpolitisch helfen sollen", sagt Ernst Stetter von der Stiftung der europäischen Sozialdemokraten in Brüssel. Wenn Merkel ihrem Amtskollegen offiziell bescheinigt, dass er auf dem richtigen Weg ist, dann, so hofft der angeschlagene Präsident, vertrauen ihm auch seine Landsleute wieder.

Dass diese Rechnung aufgehen könnte, zeigen die Umfrageergebnisse der französischen Zeitung Le Parisien: Danach trauen 46 Prozent der Bürger Merkel zu, die Finanzmärkte beruhigen zu können. Ihr eigener Staatschef kam nur auf 33 Prozent.

Und so eifert Sarkozy in vielen Punkten Berlin nach: Erst vor ein paar Wochen hat er das Parlament in Paris aufgefordert, einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild zuzustimmen. Einen solchen Mechanismus können sich die beiden auch für die gesamte Eurozone vorstellen. Außerdem will Sarkozy die Neuverschuldung des Staates im kommenden Jahr auf 4,6 Prozent drücken. Zurzeit liegt sie noch bei 5,7 Prozent. Dafür sind dringend Reformen notwendig, und auch dafür suchte Sarkozy Rückendeckung bei der Kanzlerin.

Nullwachstum in Frankreich

Sarkozy steht unter Druck, vor allem seit die französische Wirtschaft im zweiten Quartal ein Nullwachstum verbuchen musste und die Ratingagenturen mit einer Herabstufung Frankreichs drohten. Dem konnte die Regierung in Paris gerade noch mit der Ankündigung eines neuen Sparpakets entgehen.

Um seine Stärke zu demonstrieren, will Sarkozy nun zeigen, dass er auch in der Europäischen Union nach wie vor und trotz schlechter Wirtschaftslage die erste Geige spielt - gemeinsam mit Merkel. Bei dem Treffen am Dienstag sollte es "vor allem um Kommunikation, weniger um die konkreten Vorschläge"gehen, meint Ernst Stetter.

Die Machtverhältnisse zwischen den beiden befinden sich durchaus im Gleichgewicht, vor allem seit auch in Deutschland das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal eingebrochen ist und mit 0,1 Prozent nur knapp am Nullwachstum vorbeischrammte. Die gesamte Eurozone wurde dadurch ausgebremst. Das Bruttoinlandsprodukt legte in den 17 Euroländern im Vergleich zum Vorquartal nur um 0,2 Prozent zu.

Merkel und Sarkozy wollten der Eurozone neuen Mut zureden, die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Denn wenn Deutschland und Frankreich sich einigen, dann stehen in der Regel die Chancen für einen gesamteuropäischen Kompromiss gut, verkörpern die beiden Staaten doch grundlegend unterschiedliche Auffassungen von Wirtschafts- und Finanzpolitik.

"Paris will eine starke Zentralisierung der Finanzpolitik. Das entspricht dem französischen Staatsverständnis", sagt Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Deutschland dagegen hat sich immer gegen eine zu starke Harmonisierung gewehrt und für die Liberalisierung der Märkte gekämpft.

Vorwurf des Lohndumpings

Immer wieder kam es in den vergangenen Monaten zu Unstimmigkeiten im deutsch-französischen Team. Frankreich warf Deutschland zum Beispiel vor, mit der Ablehnung eines nationalen Mindestlohns Lohndumping zu betreiben und sich damit innerhalb der EU Wettbewerbsvorteile zu erschleichen.

Deutschland dagegen warnte Frankreich immer wieder vor einer zu laxen Haushaltspolitik und kämpfte für eine Verschärfung des Stabilitätspaktes, wogegen sich die Franzosen bisher immer vehement gewehrt haben. Wirtschaftsexperte Stefan Kooths beobachtet eine zunehmende Entfremdung zwischen den beiden Ländern. "An deutschen Universitäten wird kaum noch etwas über die französische Wirtschaftspolitik gelehrt. Das führt langfristig zu Missverständnissen."

So schwierig eine Einigung auch gewesen sein mag, ohne einander können die beiden Länder erst recht nicht. Frankreich ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Im vergangenen Jahr exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von über 90 Milliarden Euro ins Nachbarland. Auch deshalb ist das Interesse der Deutschen an einer stabilen französischen Wirtschaft groß.

"Aber wir müssen uns keine zu großen Sorgen machen. Ich sehe nicht, dass wir demnächst über Notkredite für Frankreich diskutieren", sagt Stefan Kooths. Er habe keine Zweifel daran, dass Frankreich selbstständig wieder aus der Krise herausfindet. Und das käme auch Deutschland zugute. (mit dpa)

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