Reform der Sicherungsverwahrung: Gestörte Straftäter hinter Gitter

Die rot-grüne Regierung in NRW schlägt vor, die abgeschaffte Sicherungsverwahrung durch die Hintertür wieder einzuführen: für alle psychisch gestörten Strafttäter.

Der Vorschlag der rot-grünen Regierung Nordrhein-Westfalens ist der bisher schärfste in der Diskussion über die Reform der Sicherungsverwahrung. Bild: dpa

BERLIN taz | Das rot-grün regierte Land Nordrhein-Westfalen fordert die Einführung einer nachträglichen Unterbringung von gefährlichen, psychisch gestörten Straftätern. Der Vorschlag ist der bisher schärfste in der Diskussion um die Neuregelung der Sicherungsverwahrung und dürfte noch für heftige Kontroversen sorgen.

Die Düsseldorfer Justiz-Staatssekretärin Brigitte Mandt (SPD) stellte den Vorschlag am Dienstag in Berlin bei einem Bund-Länder-Treffen zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung vor. Das Treffen selbst endete ohne eine Einigung. Die Länder forderten das Bundesjustizministerium zur Vorlage eines Gesamtkonzepts auf. Die bisherigen Vorschläge seien "eine geeignete Diskussionsgrundlage", bedürften aber noch deutlicher Änderungen, betonte das baden-württembergische Justizministerium.

Der NRW-Vorschlag beschäftigt sich mit Personen, die aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden müssen, aber auch mit Straftätern, gegen die im Strafurteil gar keine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. In internen Papieren, die der taz vorliegen, heißt es, dass selbst Personen, die aus der Strafhaft entlassen wurden, erfasst werden könnten. Die Rede ist von einer "sämtliche hochgradig gefährliche und psychisch gestörte Gewalt- und Sexualstraftäter erfassenden nachträglichen Unterbringungsform".

Der Vorschlag würde die zum Jahreswechsel weitgehend abgeschaffte nachträgliche Sicherungsverwahrung durch die Hintertür wieder einführen. Eingeschränkt wäre sie nur durch die neue Erfordernis, dass der Täter psychisch gestört sein muss. Diese Einschränkung ist erforderlich, weil der EGMR bei der zwangsweisen Unterbringung von psychisch Kranken keine Probleme sieht. Als psychische Störung gilt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs allerdings schon eine "dissoziale" rücksichtslose Persönlichkeit. NRW geht sogar weiter als die gerade abgeschaffte nachträgliche Sicherungsverwahrung, weil hier sogar bereits aus der Strafhaft Entlassene erfasst werden sollen.

Eine engere Variante des NRW-Vorschlags beschränkt die neue nachträgliche Unterbringung nur auf die Verwahrten, die aufgrund der EGMR-Rechtsprechung entlassen werden müssen. Für diese sogenannten Altfälle hat der Bundestag zum Jahreswechsel zwar das Therapie-Unterbringungsgesetz eingeführt. Laut diesem Gesetz können sie wieder zwangsweise untergebracht werden, wenn sie gefährlich und - natürlich - "psychisch gestört" sind.

Den Ländern passt das Gesetz aber nicht, weil es eine strikte Trennung der Unterbringung zu Therapiezwecken vom Strafvollzug fordert. Das aber ist unpraktisch - auch weil neue Standorte für die Unterbringung von gefährlichen Verbrechern immer für Wirbel in der Bevölkerung sorgen.

NRW schlägt nun vor, die gefährlichen und gestörten EGMR-Altfälle wieder im Strafvollzug, nur räumlich abgetrennt, unterzubringen.

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