Martin Sonneborn will eine neue Mauer: "Der Rest stirbt aus, alles gut"

Die PARTEI will eine neue Mauer zwischen Ost und West. Parteichef Martin Sonneborn über Türsteher, Schießbefehle und Arschlöcher im Prenzlauer Berg.

"Es gibt ein psychologisches Grundbedürfnis, sich vom Nachbarn abzugrenzen", sagt Martin Sonneborn. "Besonders vom Ostdeutschen." Bild: dpa

Herr Sonneborn, niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen. Außer Ihnen. Ist das nicht ein bisschen pietätlos, am 50. Gedenktag des Mauerbaus?

Martin Sonneborn: Nein, ganz und gar nicht. Wir freuen uns. Die Bürger wollen eine Mauer – dann sollen sie die Mauer auch bekommen!

Woher wissen Sie, dass die Bürger eine neue Mauer wollen?

Es gibt doch diese irren Forsa-Umfragen, die besagen, dass mehr als 20 Prozent der Bürger die Mauer zurück haben wollen, in Berlin sind es jetzt über 30 Prozent. Und die Zahlen steigen. Geld interessiert die Leute nun mal.

Was bitteschön hat Geld mit der Mauer zu tun?

46, war mal Chefredakteur des Satiremagazins Titanic, ist jetzt verantwortlicher Redakteur der Satire-Rubrik Spam auf Spiegel Online. Nebenher gründete er Die PARTEI - die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative. Wichtigstes politisches Ziel: Den Bau einer neuen Mauer zwischen Ost und West.

Dass unser ganzes schönes Geld in den Osten rübergeschaufelt wird, hat die Menschen im Westen immer sehr erregt. Wir haben uns dann eben dafür eingesetzt, dass das Geld, das im Western erwirtschaftet wird, auch im Westen verbleibt.

Und das geht nur mit einer Mauer?

Naja, nicht nur, aber auch. Das Thema ist immer noch hoch emotional besetzt – und wird es auch so lange bleiben, wie Deutschland nicht wirklich zusammengewachsen ist. Das aber wird nie passieren. Es gibt ein psychologisches Grundbedürfnis, sich vom Nachbarn abzugrenzen. Besonders vom Ostdeutschen.

Also der Gartenzaun in groß?

Die PARTEI (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative) wurde 2004 von Redakteuren der Titanic gegründet. Die Mitglieder um Partei-Chef Martin Sonneborn haben seit 2005 an zahlreichen Landtags-und Kommunalwahlen und einer Bundestagswahl teilgenommen.

Die Teilnahme an der Bundestagswahl 2009 wurde der Partei verboten - mit der Begründung, es mangele der Gruppierung an politischem Ernst. Zur Senatwahl in Berlin am 18. September ist die PARTEI zugelassen - vom 15.-19. August findet in der Admiralstraße 17 eine Wahlkampf-KAMPA statt, um die "Machtübernahme" vorzubereiten.

Genau. Wir setzen ihn der Globalisierung mit all ihrer Durchlässigkeit und ihren entfesselten Finanzmärkten entgegen. Und wir sind ja nicht das einzige Land. Belgien braucht schon lange eine Mauer, Griechenland und Italien sollten ganz abgetrennt werden vom Rest Europas, die Schweiz bräuchte gleich drei Mauern.

Ihre Partei hat bisher kein einziges Mandat in irgendeinem Parlament. Es dürfte ein bisschen schwer werden, Ihre politischen Ziele umzusetzen.

Falsch, wir stellen mit Manual Lindlar einen Stadtrat in Leverkusen. Und unsere Zustimmungswerte steigen enorm. Wenn es so weitergeht, dann haben wir es in 10 Jahren geschafft.

Alleine wird es schwer – Sie werden einen Koalitionspartner brauchen.

Wir sprechen mit allen Parteien, die sich als Steigbügelhalter zur Verfügung stellen. Außer mit der FDP, die sind uns zu unseriös.

Und wenn Sie dann an der Macht sind?

Dann werden wir eine Bürgerbefragung zum Thema Mauerbau durchführen.

Sehr demokratisch.

Klar. Wobei die Demokratie in einigen Ausprägungen stark überschätzt wird. Wir sind allerdings dankbar, dass die demokratischen Strukturen in diesem Land uns erlauben, unblutig an die Macht zu kommen.

Sie bewegen sich mit solch demokratiefeindlichen Sprüchen auf dünnem Eis – wenn man mal bedenkt, dass Parteienverbotsverfahren gerade wieder im Kommen sind.

Wieso? Wir wollen die Demokratie ja nicht abschaffen, wir wollen nur ein bisschen daran herumschrauben. Zuallererst wollen wir an die Macht. Dazu brauchen wir nun mal die Bürger. Wir werden also versuchen, unser politisches Programm populistisch den Vorstellungen der Bürger anzupassen, um Stimmen zu bekommen. So läuft das doch, oder?

Nehmen wir mal an, Sie kommen an die Macht und es gibt ein Bürgerbegehren - wie wird das dann ausgehen?

Es wird wieder eine Mauer geben, ganz klar. Da bin ich mir ziemlich sicher. Die Zahlen sprechen für sich - und für uns.

Wo genau soll die dann stehen?

Außerhalb von Berlin wird sie dort stehen, wo schon die DDR damals gebaut hat. das hat sich ja bewährt. In Berlin selbst wollen die Menschen die Mauer aber an anderer Stelle haben. Um den Prenzlauer Berg herum, zum Beispiel, weil die Arschlochquote dort extrem hoch ist. Das wäre dann übrigens auch ein guter Ort für ein Atom-Endlager.

Gibt es schon konkrete Pläne für die optische Umsetzung? Groß? Klein? Dick? Dünn?

Der Schutzwall wird eindrucksvoller, moderner sein. Eine ästhetisch ansprechende Mauer, vielleicht aus Glas, mal sehen. Es gibt viele Möglichkeiten und kaum genaue Pläne. Wir sind mit israelischen Experten im Gespräch, denn die Mauer soll ja länger halten, als die alte. 28 Jahre und ein paar Wochen – das reicht nicht.

Und wie wollen Sie verhindern, dass Menschen von West nach Ost oder Ost nach West kommen? Mit einem Schießbefehl?

Nein, es wird mit uns keinen Schießbefehl geben, sondern einen Parteiausweis. Die Inhaber des Ausweises können die Mauer passieren, wann immer sie wollen. Einfach Ausweis vorzeigen und schon geht die Tür auf.

Und alle anderen?

Es wird Türsteher geben, bullige Typen. An denen kommt keiner vorbei. Die werden alle paar Kilometer an der Mauer stehen.

Das klingt alles nach einem ziemlich teuren Unterfangen. Wer soll das alles bezahlen?

Sobald wir an der Macht sind, erhalten wir Zugriff auf Unmengen an Steuergeldern. Das ist ja das Tolle, wenn man Macht hat. Außerdem werden wir von einigen renommierten Baufirmen unterstützt, z. B. von Mörtel-Paule aus der Pfalz. Wir zahlen das nicht selbst, wo denken Sie hin

Sie vermischen politische und wirtschaftliche Interessen? Na wunderbar!

Na und? Das hat Hitler auch schon gemacht. Man kann heute ohne die Großindustrie kaum nach der Macht greifen. Leider gelten wir bei potentiellen Geldgebern als unseriös. Unseriöser als Hitler. Aus diesem Grunde wird die Mauer wohl eine Paywall – soll heißen, die Menschen müssen zahlen, wenn sie auf die andere Seite wollen.

Quasi ein Zoll? Wie teuer wird das?

Teuer – immerhin müssen wir damit ja unseren aufwendigen Lebensstil finanzieren, große schwarze Elektro-Autos, Frauen, Zigarren, Voll-Nylon-Anzüge von C&A, eben alles. Man wird schnell korrupt, wenn man im Amt ist, das sehen Sie ja an den Grünen.

Und hinter der Mauer, kommt da der graue Osten zurück?

Es gibt Leuchttürme, die man erhalten sollte. Teile von Dresden und Leipzig etwa, von Rostock. Aber der Rest wird platt gemacht, es lohnt sich ja nicht, Wasser, Elektrizität und Sat1-Versorgung dort aufrecht zu erhalten. Es ist günstiger, wenn diese Leute in den Westen ziehen, der Rest stirbt aus, alles gut.

Wie wird Die Partei den Gedenktag der Mauer begehen?

Sehr freudig. Ich bin sicher, dass es nirgendwo so lustig und fröhlich zugehen wird wie bei uns. Treffpunkt ist am Samstag um 13 Uhr Ecke Friedrichstraße / Mauerstraße. Und abends in der Kalkscheune, mit der beliebten Veranstaltung „Trinker fragen – Politiker antworten“.

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