Sondersitzung des britischen Parlaments: Polizei bekommt mehr Spielraum

Premierminster David Cameron bekräftigte, dass gegen die Randalierer hart durchgegriffen werde. Zudem werde geprüft, ob soziale Online-Netzwerke eingeschränkt werden könnten.

Verurteilt die Krawalle scharf: der britische Premier David Cameron. Bild: reuters

LONDON dpa/afp/dapd/rtr | Der britische Premierminister David Cameron hat bei einer Sondersitzung des Parlaments die Gewalt auf den Straßen des Landes scharf verurteilt. "Es gibt dafür absolut keine Entschuldigung", sagte er. Es gehe den Randalierern nicht um Protest oder politische Aussagen. "Es geht ihnen um Diebstahl", sagte er.

Um neue Krawalle zu verhindern, bleiben auch in den nächsten Tagen noch rund 16.000 Polizisten in London im Einsatz, teilte Cameron mit. Er räumte ein, dass es zum Beginn der Krawalle am vergangenen Wochenende Mängel bei der Reaktion der Sicherheitskräfte gab. Inzwischen werde aber längst hart durchgegriffen. "Wir lassen es nicht zu, dass auf unseren Straßen ein Klima der Angst existiert", sagte der Regierungschef.

Der Sachschaden nach den Krawallen in Großbritannien wird sich auf bis zu 200 Millionen Pfund (228 Millionen Euro) belaufen. Die Versicherungen müssten diese aufbringen. Cameron kündigte einen millionenschweren staatlichen Fonds für die betroffenen Gemeinden und Stadtteile an. Damit sollen die Gemeinden sicher und saubergemacht werden, sagte Cameron.

Die britische Polizei soll nach der Randale der vergangenen Tage mehr Entscheidungsspielraum bekommen. So soll Polizisten künftig erlaubt werden, die Gesichtsmasken von vermummten Gewalttätern zu entfernen, sagte der Premierminister. "Wir müssen ein Jahr vor den Olympischen Spielen zeigen, dass Großbritannien nicht zerstört, sondern aufbaut", sagte Cameron.

Auch will Cameron bei künftigen Krawallen notfalls die Armee einsetzen, um der Polizei den Rücken freizuhalten. Die Regierung werde einen Militäreinsatz im Landesinneren prüfen, damit die Polizei ihre Kräfte künftig verstärkt "an der Front" einsetzen könne, sagte Cameron in einer Sondersitzung des Unterhauses am Donnerstag. Die Regierung wolle es der Polizei zudem erleichtern, Vermummte zum Ablegen ihrer Maskierung zu zwingen. Für die Besitzer von beschädigten Geschäften und Wohnungen versprach Cameron eine rasche und unkomplizierte Entschädigung, auch wenn die Betroffenen keine Versicherung abgeschlossen hätten.

Der Regierungschef kündigte eine schnelle Arbeit der Gerichte an. Polizei und Geheimdienste prüften derzeit, ob soziale Online-Netzwerke einschränkt werden könnten, über die die Ausschreitungen teilweise organisiert wurden.

Die britische Regierung will sich nach Angaben von Cameron bei der Bekämpfung von Bandenkriminalität auch an Beispielen aus dem Ausland orientieren. So hätten Städte wie Boston ein ähnliches Problem. Konkret nannte er den früheren Polizeichef von Los Angeles und New York, Bill Bratton, der möglicherweise helfen könne. Die Regierung werde sich aber auch der tieferen Probleme annehmen, die bei den Krawallen eine Rolle gespielt hätten, erklärte Cameron weiter.

Die Polizei sucht noch hundert Verdächtige

Nach den schweren Krawallen in London hat die Polizei am Donnerstag Wohnungen und Häuser nach Verdächtigen durchsucht. Mehr als hundert Menschen würden noch per Haftbefehl gesucht, sagte der ranghohe Beamte der Metropolitan Police, Steve Kavanagh. "Wir haben in den frühen Morgenstunden damit begonnen, an Türen zu klopfen, um Menschen festzunehmen", sagte Kavanagh.

Es handele sich um mutmaßliche "Einbrecher, Räuber und Diebe". Seit Beginn der Proteste am Samstag wurden landesweit mehr als 1100 Randalierer festgenommen. Allein in London waren es nach Angaben von Scotland Yard 888, von denen bislang 371 angeklagt wurden.

Nach vier Krawall-Nächten in Folge war es in Großbritannien in der Nacht zum Donnerstag weitgehend ruhig geblieben. Der Polizei gelang es mit einem Großaufgebot von 16.000 Beamten allein in London offenbar, neue Ausschreitungen zu verhindern. Am Mittag soll in London das Parlament zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über die gewaltsamen Ausschreitungen zu beraten.

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