Kommentar Euro-Krise: Die Krise stärkt Europa

Kein Staat darf sich von Investoren abhängig machen, die irgendwelchen Trends hinterher jagen. Den Ausgleich schafft eine Zentralbank.

Die Eurokrise muss jeden Bürger verwirren. Immer wieder droht ein Crash, dann naht scheinbar Rettung, nur damit bald darauf eine neue Krise ausbricht. Griechenland, Irland, Portugal, jetzt Italien: Gibt es irgendein Muster in dieser Entwicklung?

So unwahrscheinlich es klingen mag: Ja, es zeigt sich ein deutlicher Trend. Europa ist auf dem guten Weg zu einer vollständigen Währungsunion. Oder um es pathetisch zu sagen: Bislang war die Krise eine Chance.

Seit ihrer Gründung litt die Eurozone daran, dass sie unvollständig war. Es gab zwar eine einheitliche Währung, aber sonst fehlte alles. Es gab keine einheitlichen Staatsanleihen (Eurobonds) - und auch keine Notenbank, die diese Papiere hätte aufkaufen können, falls die Investoren panisch streiken. Stattdessen war das Mandat der Europäischen Zentralbank (EZB) äußerst eingeschränkt. Sie sollte nur die Inflation bekämpfen, mehr nicht.

Das ändert sich. Es ist ein Fanal, dass die EZB nun beginnt, die Schuldscheine von Spanien und Italien aufzukaufen. Damit beginnt sie, sich zu einer normalen Notenbank zu wandeln.

Wie ungewöhnlich machtlos die EZB war, zeigt der Vergleich mit Großbritannien. Dort kauft die Notenbank regelmäßig die Staatsanleihen ihrer Regierung auf. Man könnte auch sagen: Die Bank of England druckt munter Geld, um den Staatshaushalt zu finanzieren. Und wurde das abgestraft? Bisher nicht. Großbritannien besitzt immer noch das beste Rating, nämlich AAA.

Das ist kein Wahnsinn, sondern hat Methode. Ein Währungssystem kann gar nicht funktionieren ohne eine Zentralbank, die dann einspringt, wenn die Investoren unsinnig hohe Zinsen verlangen oder mal wieder Panik schieben. Kein Währungssystem kann sich schutzlos den Finanzmärkten ausliefern, schon weil die Anleger denkbar irrational sind. Die Metapher vom "Herdentrieb" trifft es genau: Wie ein Haufen Schafe folgen die Investoren irgendwelchen Trends. Davon darf sich kein Staat und keine Währungsgemeinschaft abhängig machen.

Trotzdem wird die jetzige Eurokrise noch nicht die letzte gewesen sein. Denn obwohl die EZB mehr Kompetenzen erhält, ist sie noch immer keine vollwertige Notenbank. Noch immer fehlen die Eurobonds - und auch der Aufkauf der spanischen und italienischen Staatsanleihen ist nur vorübergehend. Aber immerhin. Der Anfang ist gemacht.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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