Schwimm-WM in China: Die klugen Hinterherschwimmer

Bei der Schwimm-WM in Schanghai saufen die Deutschen ab. Na und? Sie wissen halt, dass es noch was anderes im Leben gibt als Bahnen, Bahnen, Bahnen.

Schwimmerin Britta Steffen: Jetzt erst mal in Ruhe weiterbilden! Bild: dpa

BERLIN taz | Die Deutschen schwimmen in Schanghai hinterher? Was soll's. Das ist kein Drama, auch wenn ARD und ZDF, die Nachrichtenagenturen und wer sonst noch eins draus machen. Was ist denn groß passiert? Paul Biedermann hat zwei Bronzemedaillen gewonnen. Das ist okay, wenn man bedenkt, dass er nicht mehr im superschnellen Wunderanzug steckt. Dann ist ein großsprecherischer Rotschopf abgesoffen, der zwar mit der besten Zeit über 100 Meter Kraul zur Weltmeisterschaft angereist war, im Vorlauf aber nur Neunzehnter wurde.

Marco di Carli heißt der Typ. Den hatten eh nur Insider auf dem Schirm, jedenfalls kannte ihn keiner, der nur sporadisch Sport schaut. Und dann ist da noch Britta Steffen, von der man weiß, dass ihre Nerven bisweilen flattern wie die Flügel eines Kolibris. Sie ist die einzige echte Enttäuschung im deutschen Schwimmteam. Das schmerzt sie sicherlich selbst am meisten.

Aber weder di Carli noch Biedermann noch Steffen sind nach China gereist, um die nationale Ehre der deutschen Schwimmnation zu retten. Man möchte die zur Hysterie neigende Nörgeltruppe in Funk und Fernsehen auffordern, endlich mal halblang zu machen. Und liebe Schwimmfreunde, die ihr immer nur Medaillen zählt, überprüft mal euren Bewertungsmaßstab! Diese WM ist nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in London.

Bis dahin ist noch ein Jahr Zeit. Dort wird abgerechnet. Wer aber auch dort Wunderdinge von deutschen Schwimmern erwartet, ist falsch gepolt. Die normale Beute des DSV sind ein paar Medaillen, ehrlich erschwommen und sauer verdient. Außergewöhnlich waren in den letzten Jahren nur die Leistungen von Steffen und Biedermann, des gern zum "Traumpaar" des Schwimmsports stilisierten Duos. Bei der WM in Rom vor zwei Jahren haben sie zusammen vier Goldmedaillen gewonnen. Ihre außergewöhnlichen Leistungen waren ein Versprechen. So sollte es doch auch in Zukunft weitergehen, oder etwa nicht?

Gute Leistungen sind oft gedopt

Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Schwimmteam so schlecht wie bei der Weltmeisterschaft im Jahre 1973. Seinerzeit holten in Belgrad nur die 4-x-200-m-Staffel der Männer sowie die Frauenstaffeln über 4 x 100 m Freistil und 4 x 100 m Lagen Bronze. So viel zur Bilanz der BRD. Die DDR-Schwimmer räumten hingegen zwölfmal Gold, sechsmal Silber und siebenmal Bronze ab. Woran mag das wohl gelegen haben? Allein am Bienenfleiß der Ossi-Krauler und an ihren Supertrainern? Wohl kaum. Sie wussten prima mit den sogenannten "unterstützenden Mitteln" zu hantieren, vulgo: Doping.

Im Schwimmsport wurde sehr oft unterstützend eingegriffen, was sich bis heute wohl nicht geändert hat. Bis zur Jahrtausendwende konnte locker mit Epo gedopt werden, ohne dass man aufgefallen wäre. Bis vor Kurzem konnte man hübsch Wachstumshormone zu sich nehmen, sodass die Pranken und Flossen noch etwas größer wurden und die Leistungsfähigkeit auch. Beide Mittel kann man jetzt nachweisen – wenn man will und auch danach sucht. Die Tests sind freilich teuer und der Weltschwimmverband Fina hat sich in der Vergangenheit nicht eben als großer Dopingbekämpfer hervorgetan.

In diesem Umfeld bewegen sich die Schwimmer des DSV. Das sollte man immer bedenken, wenn über vermeintlich schlechte Leistungen geurteilt wird. Ferner sollte man überlegen, unter welchen Bedingungen die Leistungen zustande gekommen sind. Unter den Schwimmern sind viele helle Köpfe, die studieren oder ihre Berufsausbildung vorantreiben wollen, Athleten, die ihren Sport hinterfragen und zwischen Aufwand und Nutzen genau abwägen. Es findet sich kaum einer, der bereit ist, Trainingsumfänge eines chinesischen Schwimmers zu absolvieren – und hoffentlich gibt es keinen, der sich ins Schattenreich des Sports begibt, nur um 15 Minuten Ruhm zu erhaschen. So gesehen, machen die deutschen Schwimmer in Schanghai nicht den schlechtesten Job.

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