Kommentar Cyberkrieg: Theoretisch bin ich Bundeskanzlerin

Kaum wurden ein paar Internetseiten gehijackt und ein paar Dateien von schlecht geschützten Servern kopiert, ist das Geschrei wieder groß. Das muss doch nicht sein!

Theoretisch, theoretisch, theoretisch. Theoretisch bin ich Bundeskanzlerin und zudem noch Weltmeisterin im Eisstockschießen, Klöppeln und 100-Kilometer-Schwimmen.

Man kennt das schon: Ermittlungsbehörden und konservative Innenpolitiker warnen vor den Risiken, die aus dem Netz drohen. Ob "Tatort Internet" oder "rechtsfreier Raum" – sonderlich fundiert ist das nicht, was die da von sich geben. Jetzt warnen Sicherheitsexperten, wohl ziemliche Offliner, vor Anschlägen auf "Krankenhäuser, Luftverkehr, Stromnetze oder Atomkraftwerke". Und davor, dass "die sicherheitskritische Infrastruktur, die in privater Hand ist" sabotiert wird.

Abgesehen davon, dass ein Staat, der sicherheitskritische Infrastruktur in private Hand auslagert, etwas falsch gemacht hat, wurde noch kein Krankenhaus heruntergefahren. Kein Atomkraftwerk in die Luft gejagt. Weder von Militärs, noch von Terroristen. Und erst recht nicht von Hackern.

Hackergruppen wie Anonymus haben bislang eher Aktionen digitalen zivilen Ungehorsams gemacht oder Daten aus unsicheren Webportalen gesammelt. Letzteres mit dem Ziel, Sicherheitslücken sichtbar zu machen. Warum es ihr Ziel sein sollte, die Öffentlichkeit anzugreifen und nicht, so wie bisher, kritikwürdige Firmen, erklären uns die Befürworter eines härteren Vorgehens gegen Hacker nicht.

Klar hätte es gravierende Folgen, wenn ein Krankenhaus vom Stromnetz genommen würde und dann die 24 Stunden, die der Notstromaggregat läuft, nicht mehr ans Stromnetz käme. Oder wenn irgendwer ein Atomkraftwerk in die Luft jagte.

Anstatt jedoch über theoretische Probleme zu fabulieren, sollten die "Sicherheitsexperten" lieber auf eine Pflicht drängen, dass nach solchen Einbrüchen offengelegt werden muss, was kopiert wurde. Und sie sollten sich dafür einsetzen, dass sicherheitskritische Architektur nicht in privater Hand ist und dass bedrohte Objekte von IT-Experten – vulgo: "Hacker" – auf Sicherheitslücken getestet und entsprechend gesichert werden. Die Hacks der letzten Monate haben gezeigt, dass es noch viele Sicherheitslücken gibt, die gestopft werden wollen. Anstatt mit dem Finger auf den Hacker zu zeigen, der doch in erster Linie eine nützliche Botschaft überbrachte, sollen die Betroffenen lieber diese Sicherheitslücken beseitigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.