Kommentar AKW als "Kaltreserve": Strom sparen statt erzeugen

Statt einen Atommeiler in Reserve zu halten, kann man auch Großverbraucher unter Vertrag nehmen, die bereit sind, bei Strommangel kurzzeitig ihre Anlagen abzuschalten.

Die Idee ist erschreckend fantasielos. Ein Atomkraftwerk soll als "Kaltreserve" bereitgehalten werden, um bei Strommangel einzuspringen. Ausgerechnet ein Atomkraftwerk. Ausgerechnet der träge Dinosaurier, der so unflexibel ist. Nun mag es ja sogar zutreffen, dass fossil befeuerte Kraftwerke an passenden Standorten nicht vorhanden sind. Aber eine moderne Energiewirtschaft sollte heute andere Konzepte kennen als nur den sturen Blick auf die verfügbaren Kraftwerksleistungen.

Denn billiger als eine Kraftwerksreserve ist manchmal das "Negawatt-Prinzip". Der amerikanische Physiker und Effizienzpapst Amory Lovins hat es vor Jahrzehnten schon beschrieben: Eine Volkswirtschaft, die eine Stromlücke durch Sparen schließt, kommt häufig billiger weg, als wenn sie zusätzlichen Strom erzeugt. Konkret: Statt einen Atommeiler in Reserve zu halten, kann man auch Großverbraucher unter Vertrag nehmen, die bereit sind, bei Strommangel kurzzeitig ihre Anlagen abzuschalten.

Aluminiumhütten zum Beispiel können bis zu vier Stunden ohne Strom auskommen, Kühlhäuser oft noch viel länger. Ein Großverbraucher, der auf Anforderung der Netzleitzentrale seinen Strombezug drosselt, würde auf diese Weise zum "Negawatt-Kraftwerk". Zahlreiche Großbetriebe könnten an diesem Regelmechanismus teilnehmen; vor allem thermische Prozesse sind geeignet, weil sie einerseits träge reagieren und andererseits oft viel Strom brauchen.

Aus ökonomischer Sicht kann sogar ein gewisser Produktionsausfall in Kauf genommen werden - dann nämlich, wenn die Entschädigung billiger ist als der Stand-by-Betrieb eines Atomreaktors mitsamt seinen 400 Mitarbeitern. Doch an solche Konzepte wagt sich offenbar noch niemand heran. Man bleibt im Denken der alten Energiewirtschaft verhaftet.

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