Marodes Kreuzfahrtschiff gesunken: 110 Tote bei Unglück auf der Wolga

Tragödie in Russland: Rund 110 Menschen sterben nach dem Untergang der "Bulgaria", darunter über 30 Kinder. Das mehr als 55 Jahre alte Boot war Ermittlern zufolge technisch veraltet.

Nicht direkt vertrauenserweckend: Die "Bulgaria" im August 2010. Bild: ap

MOSKAU dpa | Bei der schweren Schiffskatastrophe auf dem russischen Fluss Wolga sind etwa 110 der insgesamt fast 200 Menschen an Bord ums Leben gekommen. Auch viele Kinder starben, als das wohl marode und mehr als 55 Jahre alte Schiff "Bulgaria" bei Unwetter etwa drei Kilometer vom Ufer entfernt unterging.

Taucher bargen am Montag aus 20 Metern Tiefe vom Grund des extrem breiten Flusses die ersten Leichen, wie der russische Zivilschutz mitteilte. Einsatzkräfte sprachen davon, dass sich mindestens 30 Kinder vor dem Untergang zum Feiern in einem Raum versammelt hatten. Sie seien ertrunken, sagten Bergungshelfer nach Angaben der Agentur Interfax.

Etwa 80 Menschen waren bei dem Unglück am Sonntag gerettet worden. Viele der Überlebenden weinten in der Teilrepublik Tatarstan vor Trauer und Wut und gaben den Schiffseigentümern die Schuld an der Tragödie. Kremlchef Dmitri Medwedew äußerte sich bestürzt und sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.

Die Staatsanwaltschaft sprach nach ersten Erkenntnissen von schweren technischen Mängeln an der "Bulgaria". Demnach soll das Schiff schon beim Ablegen in dem Ort Bolgar zur rechten Seite geneigt gewesen sein und zu tief im Fluss gelegen haben. Zudem sei der Hauptmotor auf der linken Seite technisch mangelhaft gewesen. Überlebende berichteten, dass es kaum Rettungswesten gab.

Nach Darstellung der Ermittler sank die "Bulgaria" auch deshalb innerhalb weniger Minuten, weil die Fensterluken geöffnet waren. Zum Zeitpunkt der Katastrophe etwa 80 Kilometer von der tatarischen Hauptstadt Kasan entfernt herrschte Unwetter mit starkem Wind und Regenschauern. Die Wellen schlugen nach Darstellung von Augenzeugen zwei Meter hoch.

Der tatarische Präsident Rustam Minnichanow sicherte den Überlebenden und Hinterbliebenen Aufklärung und Hilfe zu. Minnichanow sagte, dass an Bord der verunglückten "Bulgaria" 196 Menschen gewesen seien. Demnach gab es Reisende, die nicht auf der Passagierliste standen.

Nach Darstellung Minnichanows waren zwei Schiffe am Sonntag an dem Unglücksort vorbeigefahren, ohne zu helfen. Die Schiffsführer müssten bestraft werden, sagte er. Ein nachfolgendes Ausflugsschiff – die "Arabella" – hatte fast 80 Überlebende sowie eine ertrunkene Frau an Bord gezogen und in Kasan an Land gebracht.

100 Taucher im Einsatz

Das Staatsfernsehen zeigte vor Verzweiflung schreiende Menschen, die um die vielen Kinder an Bord der "Bulgaria" weinten. Etwa 100 Taucher waren auf der Wolga im Einsatz und wollten bis Montagabend alle Leichen geborgen haben. Eine Vielzahl der Toten war am Morgen im Inneren des Schiffswracks gefunden worden – in den Kajüten, im Restaurant und in der Bar.

Tatarstan ordnete für Dienstag einen Tag der Trauer an. Zivilschutzminister Sergej Schoigu verlangte, das Wrack der "Bulgaria" für weitere Untersuchungen zu bergen. Die Ermittler glauben außerdem, dass der Kapitän zu viele Passagiere an Bord genommen und die Wettervorhersagen missachtet hatte. Demnach sollen 50 Menschen mehr als zulässig mit der "Bulgaria" gereist sein.

Die "Bulgaria" war bei Sjukejewo untergegangen. Das Schiff des Reiseanbieters "AgroRetschTur" war um 1955 in der damaligen Tschechoslowakei gebaut worden. Die mehr als 3.500 Kilometer lange Wolga ist der größte Strom Europas und gilt als die wichtigste Wasserstraße Russlands.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.