Ausbau der Windenergie: Weg mit der roten Laterne

Baden-Württemberg will nicht länger Schlusslicht bei erneuerbaren Energien sein. Deshalb soll der Anteil der Windkraft sich in neun Jahren verzehnfachen.

Baden-Württemberg, einst Forschungspionier in Sachen Windenergie, heute neben Bayern Wind-Schlusslicht. Bild: dpa

FREIBURG taz | Schon dieser eine Satz klingt für Baden-Württemberg wie eine Revolution: "Wir wollen bis 2020 mindestens 10 Prozent unseres Stroms aus heimischer Windkraft decken." Er steht im Koalitionsvertrag der neuen Stuttgarter Regierung und beschreibt eine 180-Grad-Wende gegenüber der früheren Landespolitik.

Es ist kaum acht Jahre her, als Ministerpräsident Erwin Teufel Baugenehmigungen für Windkraftanlagen in Freiburg sogar nachträglich widerrufen wollte, weil er sie persönlich als Landschaftsverschandelung empfand. Die Folgen der langjährigen Blockade, die sich auch unter den Nachfolgern Oettinger und Mappus nicht spürbar löste, sind in jeder Windstatistik nachzulesen: Zum Jahresbeginn 2011 waren in Baden-Württemberg gerade 368 Anlagen mit zusammen 467 Megawatt am Netz. Damit entfielen zum Stichtag nur 1,7 Prozent der gesamten installierten Windleistung auf den Südwesten. Nur die Stadtstaaten und das kleine Saarland hatten noch weniger.

Umso ambitionierter sind die neuen Ziele. 10 Prozent bis 2020 - das bedeutet eine Verzehnfachung der aktuellen Windstromerzeugung. Oder anders ausgedrückt: Jedes Jahr müsste ab sofort so viel Windstrom hinzukommen, wie heute insgesamt im Land erzeugt wird, also rund 700 Millionen Kilowattstunden. Es müssten bei einer angenommenen Erzeugung von 4 Millionen Kilowattstunden pro Anlage jedes Jahr rund 150 bis 200 Anlagen zugebaut werden. Im vergangenen Jahr wurden gerade 8 neue Anlagen mit zusammen 15,3 Megawatt errichtet.

Branchenkenner warnern vor zu viel Euphorie

Doch selbst mit dem 10-Prozent-Ziel wäre das Potenzial noch lange nicht ausgereizt. Das rechnet der Stuttgarter Energieexperte Joachim Nitsch in seinem aktuellen "Szenario für eine zukunftsfähige Energieversorgung Baden-Württembergs" vor. Danach könne die Windenergie im Ländle "aus technisch-ökonomischer Sicht und unter Beachtung aller aus der Sicht des Naturschutzes notwendigen Beschränkungen zirka 15 Terawattstunden Strom pro Jahr bereitstellen". Das entspräche einem Anteil am Strommix von 20 Prozent.

Welche Ziele beim Wind am Ende erreicht werden können, hängt aber nicht allein von der Landesregierung ab. Und deswegen warnen einige Branchenkenner trotz des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann vor allzu viel Euphorie. Bene Müller vom Bürgerunternehmen Solarcomplex aus Singen, das Solar-, Biomasse- und Windanlagen projektiert, sagt: "In der Verwaltung der Ministerien sitzen immer noch die gleichen Leute, und man muss befürchten, dass einige Landräte und Bürgermeister jetzt in eine Trotzhaltung verfallen, die am Ende alles noch schwieriger machen kann." Und auch die Verwaltungsabläufe lassen sich nicht beliebig beschleunigen.

Die nötigen Standorte gibt es es in Baden-Württemberg. Wie ein Windatlas belegt, den die schwarz-gelbe Landesregierung noch in Auftrag gegeben hatte, herrschen auf den Schwarzwaldgipfeln mitunter Windverhältnisse wie an der See: 100 Meter über dem Boden herrschen an exponierten Stellen mittlere Windgeschwindigkeiten von mehr als 7 Meter pro Sekunde. Ein erstes symbolhaftes Großprojekt wird daher bereits angedacht: eine Anlage mit bis zu 7,5 Megawatt auf dem Schauinsland bei Freiburg in 1.100 Meter Höhe. Der Jahresertrag würde bei rund 15 Millionen Kilowattstunden liegen - ausreichend für mehr als 4.000 Durchschnittshaushalte.

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