Naive Malerei in Nicaragua: Überleben mit der Kunst

Ein Besuch des Kulturzentrums Casa de los Tres Mundos in Nicaraguas alter Kolonialstadt Granada. Eine Künstlerschmiede auch für die Kinder im Abseits.

Ein typisches, knallbuntes Motive. Bild: casa de los tres mundos

Die Europäer haben Angst vor unserer kommunistischen Regierung, daher kommen kaum noch Touristen hierher“, sagt Elisa Pérez. Sie ist 23 und Verkäuferin im Kunstmarkt, dem Mercado Antiguo des kleinen Städtchens Masaya, das am Fuße des gleichnamigen Vulkans liegt. Da hilft es auch nichts, dass Nicaragua trotz offenkundiger Armut im Vergleich zu vielen anderen Ländern Mittelamerikas als relativ sicher gilt. Elisa senkt die Stimme, als sie weiterspricht, denn um sie herum ist es eigenartig still geworden. „Hier sind überall „Infiltrados“, Spione, die dir Probleme bereiten, wenn du schlecht über Ortega sprichst“, flüstert Elisa. Wir reden über unverfängliche Themen weiter. Beispielsweise über das Kunsthandwerk.

Elisa verkauft Bilder naiver Malerei, und während sie spricht, könnte man meinen, die junge Frau habe Kunstgeschichte studiert. Ihr Idol ist der Dichter, Revolutionär und ehemalige katholische Priester Ernesto Cardenal. Er war es, der der sogenannten „pintura primitivista“ den entscheidenen Schub gab, als er in den sechziger Jahren auf die Inselgruppe Solentiname im Nicaragua-See kam.

„In Solentiname sah Cardenal, wie kunstvoll die Leute Kürbisse bemalten, die sie als Trinkgefäße benutzten. Da brachte er sie auf die Idee, mit Bildern im selben Stil ihren Lebensunterhalt zu verdienen“, erläutert Elisa. 1977 verließ Cardenal seine Basisgemeinde in Solentiname, um gegen den Diktator Somoza zu kämpfen. Nach der Revolution wurde er Kulturminister der sandinistischen Regierung und sorgte dafür, dass die naiven Künstler international bekannt wurden.

Elisas Bilder zeigen prachtvoll gefiederte Vögel und andere Tiere, Vulkane, Seen, Urwald, Kolonialkirchen und Dorffeste. „Hier wird die Essenz von Nicaragua dargestellt“, erklärt sie. „Die farbenfrohen Bilder reflektieren unsere positive Einstellung zum Leben, die wir trotz der enormen Schwierigkeiten, Erdbeben, Armut und des Contra-Krieges nie verloren haben.“

Die Malerei wird uns fortan begleiten. Nur zehn Kilometer weiter liegt die Kolonialstadt Granada, von den Nicas, den Einwohnern Nicaraguas, stolz als „La Gran Sultana“ bezeichnet. Granada, 1524 von dem Spanier Francisco Hernández de Córdoba gegründet, gilt als die schönste Stadt des Landes. Die Stadt liegt am Nordufer des riesigen Nicaraguasees, den die Konquistadoren wegen seiner Größe – etwa vierzehnmal so groß wie der Bodensee – für ein Meer hielten.

Das Leben in dieser Stadt spielt sich rund um die Plaza Colón ab. Dominiert wird sie von der prächtigen Kathedrale, dem Wahrzeichen Granadas, und hübschen Kolonialgebäuden, darunter auch der Casa Pellas. Die Familie ist die reichste des Landes, sowohl unter Somoza als auch unter den Sandinisten machte sie beste Geschäfte und kontrolliert heute ein Konglomerat von 50 Unternehmen. Den Gegenentwurf zu so viel geballter wirtschaftlicher Macht bildet das Kulturhaus Casa de los Tres Mundos, das Haus der Drei Welten, eine Stiftung, die von Dietmar Schönherr und Ernesto Cardenal 1988 ins Leben gerufen wurde und seither berühmt ist.

In einem liebevoll restaurierten ehemaligen Adelspalast arbeiten junge Künstler, deren Werke im Shop am Haupteingang verkauft werden. Zwar laufen auch hier die Geschäfte eher schleppend, doch das tut der guten Stimmung keinen Abbruch. Regelmäßig finden hier Dichterlesungen statt, sogar einen eigenen Kultur-Radiosender namens Radio Volcán betreibt man hier.

Einer der sechs granadinischen Künstler, die heute Vormittag im lichtdurchfluteten Patio arbeiten, ist Roberto Barberena de la Rocha. „Wir überleben auch in schwierigen Zeiten mit der Kunst“, erklärt er und zeigt uns einige seiner Radierungen und Linolschnitte. In Paris und Tokio hat er ausgestellt und es so zu einem gewissen Ruhm gebracht.

Arbeit im Maleratelier.. Bild: casa de los tres mundos

Doch damit gibt er sich nicht zufrieden, denn die Casa Tres Mundos versteht sich auch als Künstlerschmiede. Die Maler und Bildhauer holen junge Menschen von der Straße, geben ihnen eine künstlerische Ausbildung und eine Perspektive. Dabei müssen sie sich nicht unbedingt der naiven Malerei widmen, hier in der Casa Tres Mundos ist man auch für jegliche Kunstform, und sei es Graffiti, offen. „Wir Nicas lieben das pralle Leben. Solange wir mit soviel Enthusiasmus und Freude arbeiten, wird es immer irgendwie weitergehen.

Weitere Informationen zu Nicargua und Casa de los Tres Mundos

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