Helmkameras für deutsche Soldaten: "Neue Politik der Bilder"

Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist bisher gesichtslos, sagt Medienwissenschaftler Karl Prümm. Das soll sich nun ändern - mit Helmkameras für die Soldaten.

Authentisches Bild vom Krieg: Helmkameras sollen den Alltag der Soldaten zeigen. Bild: dpa

taz: Herr Prümm, die Bundeswehr will ihren Soldaten in Afghanistan nun ganz offiziell mit Helmkameras ausstatten. Warum tut sie das?

Karl Prümm: Sie beginnt damit eine neue Politik der Bilder. Die Deutschen erleben Afghanistan als einen gesichtslosen Krieg. Auch deshalb sehen sie ihn in großer Mehrheit als illegitim an – und wir werden in Zukunft noch mehr getötete Soldaten erleben.

Woher kommt die Bilderarmut?

So wie der Krieg momentan abläuft, ist er Medien schwer darstellbar. Er läuft nicht in den Mustern ab, die wir kennen. Es gibt kaum konkrete Fortschritte: Die Medien zeigen Patrouillenfahrten oder wie Minen beseitigt werden. In den Köpfen bleiben nur die Bilder von Zinksärgen hängen, nicht aber von den Einsätzen. Die Aufnahmen von den Helmkameras sollen ein Gegengewicht dazu bilden.

Der Bundeswehr zufolge geht es nur um Informationsgewinn.

Daran glaube ich nicht. Es geht eher um das Gefühl, unmittelbar dabei zu sein. Dies begann mit dem Embedded Journalism während des zweiten Golfkriegs. Die Helmkameras sind nochmal eine Steigerung davon. Man beobachtet das Geschehen aus dem Kopf des Kämpfers.

KARL PRÜMM, 66, ist seit 2010 emeritierter Professor für Medienwissenschaft. Er lehrte vorher an der Universität Marburg und forscht unter anderem zur Kriegsberichterstattung, Medien- und Fernsehästhetik.

Die Bundeswehr ruft einen Youtube-Kanal ins Leben, lässt Soldaten aus aus Afghanistan bloggen und stattet sie mit Helmkameras aus. Acht wurden bereits gekauft und sollen demnächst in Afghanistan zum Einsatz kommen, bestätigte ein Bundeswehr-Sprecher der taz. Die Helmkameras werden Bilder von Situationen liefern, die für Fernsehteams zu gefährlich sind.

Wie wirken solche Aufnahmen auf uns?

Wir erleben den Einsatz hautnah mit und sind doch geschützt, wie in einem Kinofilm. Durch Helmkameras, die zeigen, wie die Soldaten Feindberührung haben, oder jemand verfolgt wird, wird der Afghanistankrieg in ganz anderer Weise erlebbar. Man wird sehen, wie emotionsgeladen das Geschehen ist, man spürt die Angst der Beteiligten. Manche Bilder erinnern an ein Egoshooter-Videospiel. Gleichzeitig können die Bilder auch extrem Angst machen.

Die Bundeswehr beteuert, dass es keine Egoshooter-Szenen geben soll.

Die offiziellen Aufnahmen werden in geschnittener und bereinigter Form, vielleicht zu kompletten Geschichten ausgestaltet, bei den Medien ankommen. Zugleich wird die Bundeswehr versuchen zu verhindern, dass die Filme von den Soldaten privat ins Netz gestellt werden. Doch das wird schwierig. Schon jetzt ist das Netz voll mit privaten Aufnahmen.

Die Wehrpflicht ist ausgesetzt – sind die neuen Bilder nicht auch die beste Werbung für neue Rekruten?

Die Anziehungskraft auf Jugendliche mag auch ein Hintergedanke sein. Man hat gemerkt, dass die bisherigen Werbeaktionen relativ wenig Erfolg gebracht haben. Und dass man den Reiz eines Krieges so darstellbar machen kann.

Die Soldaten zeigen sich in Internetforen jedenfalls hocherfreut..

Natürlich, denn sie stören sich an der bisherigen Nichtbeachtung des Krieges. Sie hoffen, dass ihre Leistung endlich öffentlich sichtbar wird, und welchen Belastungen sie ausgesetzt sind. Dieses Bedürfnis nimmt die Bundeswehr jetzt ganz offiziell auf und hofft, dass es zu einer Neubewertung in der Öffentlichkeit kommen könnte.

Interview: Martin Rank

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