Kolumne Lustobjekte: Tomatensex und Salatorgien

Wir bekämpfen Rassismus und Homophobie, aber Gemüse behandeln wir wie den letzten Dreck. Gebt dem Liebesapfel eine Chance!

Kollege M. war heute zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren wieder bei McDonalds. Seit das Böse angeblich Tomaten, Gurken und Salat befallen habe, sei man seines Lebens ja nicht mehr sicher, sagte er. Da könne man auch guten Gewissens einen Burger essen. Tote Materie, ohne Nähr-, jedoch auch ohne Schadstoffe. Ich fragte: "Dass Grünzeug nicht mehr auf dem Index steht, hast du aber schon mitbekommen?" M. winkte ab. Jaja, aber auf besagten Gurken seien schließlich trotzdem Bakterien nachgewiesen worden. Die seien jetzt bei ihm unten durch, die Gurken. Tomaten und Salat im Grunde auch.

Einen derartig schlimmen Imageschaden erleiden normalerweise nur Politiker, die Doktorarbeiten fälschen oder Sex mit Minderjährigen haben. Das hat das rot-grüne Dreiergespann wirklich nicht verdient. Zur Erinnerung: Hundert Billionen Bakterien leben im und auf dem Ökosystem Mensch, das ist das Gegenteil von steril. Kinder werden in ihren Ferien auf den Bauernhof geschickt, damit sie sich mit den Schweinen im Schlamm suhlen und später keine Allergien bekommen. Und Sex ist ein reiner Austausch von Körperflüssigkeiten. Wir bekämpfen Rassismus, Homophobie, Sexismus und Faschismus. Aber unser Gemüse behandeln wir wie den letzten Dreck. Es ist Zeit für eine Rehabilitierung. Es ist Zeit für Salatorgien, Gurkenspielchen und Tomatensex.

Letzteren möchte ich Ihnen besonders ans Herz legen. Denn der Salat, der im Grunde fast nur aus Wasser besteht, ist in der Tat ein Hochstapler; die Gurke ein Phallussymbol, das sich auf billigste Art und Weise anbietet. Aber ach, die Tomate. Nicht umsonst vor dem 19. Jahrhundert zärtlich Liebesapfel genannt, ist sie die reinste Form der Fruchtbarkeit. Kenner wissen, dass Tomaten immer getrennt von anderem Gemüse aufbewahrt werden müssen, da sie während der Lagerung Ethen ausscheiden. Das lässt ihre Nachbarn schneller reifen und folglich auch schneller verderben. Asche zu Asche, Staub zu Staub, Essen zu Matsch. Ein ewiger Kreislauf des Verdauens und Verdautwerdens, und wir mittendrin.

Liebe Leserinnen und Leser, auch wenn Sie nicht mehr an diese Beziehung glauben: Bitte geben Sie der Tomate eine Chance! Sie hat es verdient. Denn sie ist langmütig und freundlich, sie blähet sich nicht (im Gegensatz zu Bohnen), sie verträgt alles (Mozzarella und Schafskäse), sie duldet alles (Ketchup!). So steht es sogar in der Bibel. Annähernd.

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Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).

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