Kachelmann nach seinem Freispruch: "Keine Gewalt in meinem Leben"

Jörg Kachelmann hat zum ersten Mal seit seinem Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung ein Interview gegeben. Er findet deutliche Worte über Paparazzi und die Justiz.

Auch nach dem Freispruch: Immer mit demselben Gesicht in die Tiefgarage des Landgerichts - und wieder raus. Bild: dpa

Berlin taz | "Mich erpresst niemand mehr". Nach 132 Tagen Untersuchungshaft empfindet das der 52 Jahre alte, ehemalige ARD-Wettermann Jörg Kachelmann "schon fast beruhigend", sagte er der Zeit im ersten Interview nach seinem Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung. Das sei der Vorteil, wenn man als lebendiges Röntgenbild durch die welt laufe, von dem jedes intime Detail bekannt sei.

Er müsse keine Angst mehr haben vor dem strafenden Gott in der Inkarnation der Bunten oder der Bild: "Das ist schon fast beruhigend". An einem anonymen Ort empfing Kachelmann die Zeit-Journalisten, nach dem Freispruch aus Mangel an Beweisen - nach 43 Verhandlungstagen. Sowohl die Ex-Geliebte als auch die Staatsanwaltschaft haben inzwischen Revision gegen den Freispruch des Wettermoderators eingelegt.

Er habe den Glauben an die deutsche Justiz komplett verloren, sagt Kachelmann, und habe deswegen am 30. Mai vor dem Landgericht Mannheim nicht unbedingt an einen Freispruch geglaubt: "Ich hatte im Gerichtssaal so viel Irrationalität kennengelernt, vor allem auch von den Mannheimer Staatsanwälten, dass ich bis zum Schluss mit der menschlichen Irrationalität rechnen musste." Er habe vor Gericht geschwiegen, weil er sonst an jedem Prozesstag hundertmal hätte aufstehen und sagen müssen: "Das ist gelogen!"

Er habe sich nicht an dem Schwachsinn beteiligen wollen, der über ihn erzählt wurde. Und vom ersten Prozesstag bis zum letzten habe er versucht, die Fassung zu wahren. "Ich wollte mit immer demselben Gesicht in die Tiefgarage des Landgerichts fahren - und mit demselben Gesicht wieder raus. Was geht es die sabbernden Fotografen an, wie es mir geht?"

Kachelmann ist vorsichtig geworden

Anstatt auf die Vorschläge seiner Freunde zu hören - 97 Prozent seines Bekanntenkreises habe er allerdings seit der Anklage verloren, sagt er - ein neues Leben in einem fernen Land anzufangen, plant er eine gerichtliche Schlacht gegen alle diejenigen, die behauptet haben, das er gewalttätig gewesen sein soll. "Es gab keine Gewalt in meinem Leben. Keine Gewalt gegen Erwachsene, keine gegen Kinder, keine Übergriffe, auch keine sogenannten Grenzerkundungen und schon gar keine -überschreitungen."

Ja, er habe Frauen belogen, Menschen verarscht, "aber das ich deswegen nicht alle auf dem Zaun habe, glaube ich nicht". Sein Privatleben, ob er monogam leben könne und ob seine Ehe mit der Studentin Miriam nun Bestand habe, das ginge die Presse "einen Scheiß an". Kachelmann ist sehr vorsichtig geworden, "antizipiert alles in jeder Sekunde, was man aus seinem Verhalten herauslesen könnte". Er benutzt sein Handy kaum noch, weil er fürchtet, geortet zu werden, achtet darauf, was er in den Müll wirft, weil Journalisten darin wühlen könnten.

Er ist nicht mit fremden Frauen allein in einem Raum und betritt keine Hotels mehr, weil er fürchtet, die Rezeption könnte seinen Aufenthaltsort weitergeben. Und er fliegt nicht mehr mit der Lufthansa, weil er aus einer dieser Maschinen in Frankfurt stieg, als er verhaftet wurde. Apropos Fliegen - er habe, weil ihn "das alles finanziell komplett fertiggemacht habe", Bescheidenheit gelernt und dass es "auch in der Economy-Klasse von Flugzeugen ein Leben gibt". Er müsse jetzt hohe Schulden abbezahlen und deswegen sein Seegrundstück in Kanada verkaufen - für eine knappe Million.

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