Prozess um Überfall auf rechte Kneipe: Neonazis mit Erinnerungslücken

Zwei Männer sollen einen Brandanschlag auf die rechte Kneipe Zum Henker in Schöneweide verübt haben. Warum? Sind sie Nazihasser oder selber Nazis? Die Zeugen widersprechen sich.

Schild der umstrittenen Kneipe in Berlin-Schöneweide Bild: dpa

Auf dem Flur im zweiten Stock des Landgerichts warteten am Mittwoch zahlreiche Männer und Frauen vom harten Kern der rechten Szene. Sie waren allerdings nicht als Angeklagte gekommen, sondern als Zeugen. Es ging um einen Brandanschlag auf die rechte Szenekneipe Zum Henker in Schöneweide im Oktober 2009.

Der Henker war damals mit 30 bis 40 Gästen gefüllt. Viele von ihnen wussten vor Gericht von dem Feuer zu erzählen, von der Panik der Gäste sowie der Verfolgung der Männer, die für den Brandanschlag verantwortlich gewesen sein sollen. Auf der Flucht der beiden Angeklagten im Alter von 31 und 49 Jahren mit dem Auto, sollen diese zudem einen Gast des Henkers überrollt haben. Er lag über Wochen im künstlichen Koma und schwebte in Lebensgefahr. Zwei weitere Gäste wurden ebenfalls verletzt. Die Anklage lautet auf versuchten Mord und besonders schwere Brandstiftung. Nach zwei Fehlstarts vor Gericht ging es am Mittwoch endlich zur Sache.

2009 war der Fall Anlass für eine Nazidemo durch die Innenstadt. Für die rechte Szene stand außer Frage, wer für den Anschlag verantwortlich war: "die Linke". Auf der Kundgebung wurden Namen von Vertretern antirassistischer Initiativen und Politikern als "Feinde" verlesen. Dabei hatte die Polizei bereits am Vorabend der Demo erklärt, sie gehe nicht von einem politischen Hintergrund aus.

Davon geht zum Prozessauftakt auch die Staatsanwaltschaft nicht aus, wie ein Sprecher der taz erklärte. Ein Zeuge behauptete hingegen vor Gericht, dass einer der Angeklagten ein Rechter sei, er habe öfter Thor-Steinar-Kleidung getragen. Für die Strafverteidiger ist allerdings erst einmal nachzuweisen, dass die beiden Angeklagten überhaupt die Täter waren. Die Zeugen mussten ausführlich Kleidung und Aussehen der Männer beschreiben, die zu nächtlicher Stunde den Überfall begangen hatten. Dabei gab es viele Erinnerungslücken und Widersprüche.

Ausführlich erörtert wurde ein Vorgang, der sich eine gute Woche vor dem Anschlag abgespielt haben soll: Eine Gruppe von vier Männern, darunter einer der Angeklagten, wollten im Henker ein Bier trinken. Ein Henker-Gast will gehört haben, wie einer der Männer "Scheißnazi" rief. Er habe daher den Wirt aufgefordert, die Gäste nicht einzulassen. Die Gäste wurden von Rechten mit Pfefferspray und Faustschlägen verfolgt, bis sie sich in ein Polizeiauto retten konnten. Aus Rache sei es dann zu dem Überfall gekommen, so die Staatsanwaltschaft.

Es sind 6 Verhandlungstage angesetzt. Mit dem Urteil ist für Ende Juni zu rechnen.

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