Unumkehrbarkeit des Ausstiegs verlangt: Rot-Grün sagt Jein zu Merkels Ausstieg

SPD kritisiert, dass Schwarz-Gelb dezentrale Ökoenergie kaputt macht, will aber "keine Kollisionsstrategie". Die Grünen fürchten, der Ausstieg ist noch umkehrbar.

Sind nicht zufrieden mit Merkels Energiewende – aber auch nicht auf Krawall gebürstet: Trittin und Gabriel. Bild: dpa

BERLIN taz | Die SPD signalisiert vorsichtige Zustimmung zum schwarz-gelben Atomausstieg. Laut Thorsten Schäfer-Gümbel, im Parteivorstand für Energiepolitik zuständig, gibt es derzeit nur ein Kriterium für ein generelles Nein. "Die SPD wird nicht zustimmen, wenn die Unumkehrbarkeit des Ausstiegs nicht gewährleistet ist", so der hessische SPD-Chef zur taz. Ähnlich äußerte sich Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Ansonsten gibt es für die SPD Wünsche - aber eben nichts, was derzeit ein Nein fixiert.

So will die SPD lieber schneller aussteigen und drängt auf "klare Kriterien für die Endlagersuche und ein geordnetes Verfahren", so Schäfer-Gümbel. Auch SPD-Energieexperte Ulrich Kelber meint, dass auf "Seehofers Ankündigungen, die sich alle drei Tage ändern, kein Verlass ist".

Skeptisch sind die Sozialdemokraten auch, was das Standy-by-AKW angeht. Schäfer-Gümbel fürchtet, dass da "faktisch ein Atomkraftwerk aus technischen Gründen weiterläuft".

Schwarz-Gelb braucht die Unterstützung der SPD machtpolitisch im Bundestag nicht. Merkel hält den Atomausstieg nicht für zustimmungspflichtig durch den Bundesrat, bekundet aber, einen Konsens anzustreben. Dann muss die Bundesregierung "auf uns zukommen", fordert Schäfer-Gümbel: "Wenn wir nur Ja oder Nein sagen dürfen, hat das mit Konsens nichts zu tun." Das Ja der SPD sei "nicht gratis".

Und es zeichnet sich ab, wo die SPD-Fraktion Nein sagen wird: beim novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) "Da wird es kaum eine Einigung geben", so SPD-Fraktionsvize Kelber zur taz. "Die ganze Linie dieses EEG ist es, zentralistische Großprojekte zu fördern und alles Dezentrale kaputtzumachen."

Kein Konfrontationskurs

Doch wie sich die SPD bei den fünf weiteren Gesetzesänderungen verhält, ist offen. Die SPD will den Vorwurf meiden, einen Ausstieg zu blockieren, der in vielem dem Rot-Grüns von 2001 gleicht.

Wir werden, so Kelber zur taz, "keine Kollisionsstrategie fahren nach dem Motto: Lasst sie ruhig scheitern. Denn wir müssen dafür sorgen, dass die Versorgungs- und Investitionssicherheit gewährleistet ist."

Auch die Grünen müssen eine heikle Balance der Interessen finden: Einerseits zerren Parteibasis, Umweltverbände und Ökoenergiebranche an der Parteiführung, sich eine Zustimmung zum Atomausstieg der Regierung nicht allzu leicht abhandeln zu lassen.

Andererseits fürchten sie, durch eine Ablehnung des Gesetzespakets als beleidigte Leberwurst dazustehen, die nicht verwinden kann, dass Schwarz-Gelb ihr Lieblingsthema abräumt. Deshalb versuchen sich die Grünen an einer Doppelstrategie: Verhandlungsbereitschaft signalisieren, aber zugleich Risiken des Ausstiegsplans betonen.

Neue Wende befürchtet

"Zwischen 2013 und 2021 kein einziges Atomkraftwerk abzuschalten, geht nicht", sagt Sylvia Kotting-Uhl der taz. "Das ist eine unausgesprochene Ausstiegsklausel", vermutet die atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Denn wenn über Jahre keines der dann noch betriebenen neun AKW vom Netz gehe, bestehe die Gefahr, dass eine Regierung nach der Bundestagswahl 2017 den Atomausstieg wieder rückgängig mache.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sieht gar die Stabilität der Stromversorgung in Gefahr. Wenn Anfang des kommenden Jahrzehnts neun AKW "innerhalb weniger Monate abrupt vom Netz" gingen, urteilt Trittin, "steuern wir sehenden Auges auf eine Situation zu, in der die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit akut gefährdet werden".

Die Atomfrage ist für die Grünen so heikel, dass sie einen Sonderparteitag am 25. Juni in Aussicht stellen. "Den gibt es aber nur, wenn klar wird, dass die Grünen eventuell zustimmen", erklärt Kotting-Uhl. Sollten sich die Parteigremien auf ein Nein im Bundestag festlegen, erübrige sich das Treffen.

Was wie eine Drohung klingen soll, lässt sich auch als Unentschlossenheit einer Partei deuten, die nicht weiß, wie sie damit umgehen soll, dass ihr Lieblingsfeind den Atomausstieg durchsetzt.

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