WAHLKAMPF DER EINZELKÄMPFER: Wettkampf um jede Stimme

Wo es früher sichere CDU-Listenplätze gab, müssen die meisten Kandidaten nun für sich selbst werben, manchmal gegen die eigene Partei - zum Beispiel Claas Rohmeyer

Strittiges Nebeneinander: Claas Rohmeyer vor dem CDU-Haus am Wall Bild: Klaus Wolschner

Im Grunde macht der CDU-Politiker Claas Rohmeyer nur in "seinem" Hemelingen Wahlkampf. Bis auf eine Ausnahme. Am Wall, schräg gegenüber des CDU-Hauses, hängt wieder eines seiner Plakate. 100 hat er davon drucken lassen, auf eigene Kosten. Warum gerade da? "Ich möchte meine Verbundenheit mit der Partei zum Ausdruck bringen. Ich verstehe mich als Teil der CDU-Familie", sagt Rohmeyer süffisant. Das Wahlkampf-Team seiner Partei sah das offenbar nicht so: Am 17. Mai haben zwei Parteimitglieder die beiden Rohmeyer-Plakate, die er selbst dort am 15. Mai aufgehängt und mit dem Regenschirm auf zwei Meter Höhe hochgeschoben hatte, heruntergeholt und abgerissen.

Rohmeyer machte den Fall über Facebook bekannt: "Dank an Julian und Nora, dass sie im Auftrag ihres Herren meine unbeschädigten Plakate vor dem CDU-Haus gerade heruntergerissen haben. Richtig gute Partei!"

Kaum eine Stunde später antwortete Julian Stürcken über Facebook: "Das Poster war beschmiert, zwar nicht auf der Seite zum Haus sondern der anderen Seite. Etwas vorsichtiger mit unberechtigten Anschuldigungen!" Das Wahlkampf-Team hatte an die Stelle Merkel-Plakate gehängt. Im Keller des CDU-Hauses stellte Rohmeyer danach sein Eigentum sicher. "Eines der Plakate war völlig unbeschädigt, auf dem anderen waren ein paar Kuli-Kritzel zu sehen, die man aus vier Meter Entfernung schon nicht mehr wahrnimmt", sagt Rohmeyer dazu. Preisfrage: Wie kommen Kugelschreiber-Kringel auf ein Plakat, das in zwei Meter Höhe hängt? Man könne im Falle einer Plakat-Beschädigung auch den, der es aufgehängt hat, informieren, bemerkt ein anderer via Facebook. Bis heute hat niemand aus dem CDU-Haus mit Rohmeyer über die Entfernung seiner Plakate gesprochen.

Er ist nicht der einzige CDU-Kandidat, der Wahlkampf auf eigene Kosten macht. Der Handelskammer-Präses Joachim Feldmann, der als parteiloser "Quereinsteiger" von der CDU von Thomas Röwekamp auf die Liste geholt wurde und erst im März erfuhr, dass sein Amt mit einem Bürgerschaftsmandat inkompatibel ist, hat eine halbseitige Anzeige in der Bild-Zeitung geschaltet. CDU-Kandidat Andreas Hipp aus dem Bremer Osten hat eigene Plakate drucken lassen. Und Gabi Piontkowski wirbt in Anzeigen: "Mein Platz 13 auf der Kandidatenliste ist nicht sicher. Deshalb brauche ich persönlich alle Ihre Stimmen."

Claas Rohmeyer hat 30.000 Handzettel drucken lassen und weitgehend verteilt. Jüngst war er beim "Völklinger Kreis" eingeladen, einem Netzwerk homosexueller Unternehmer, bei denen für die CDU seit jeher nicht viel zu holen ist. Das sei die einzige Wahlkampfveranstaltung, die ihm das Wahlkampf-Team seiner Partei zugewiesen habe, verriet Rohmeyer da. Im Falle einer Debatte in der Gesamtschule Ost hatte er am Tag vor dem Termin eine Absage erhalten - von seiner eigenen Partei. CDU-Chef Thomas Röwekamp musste sich an anderer Stelle bei einer Diskussion fragen lassen, warum anstelle des Bildungspolitikers Rohmeyer eine andere, fachlich aber unbedarfte Kandidatin geschickt worden sei. Röwekamp wich der Frage aus und meinte: "Wichtig ist, dass wir die Nazis und faschistischen Parteien aus dem Parlament fernhalten."

Dass Thomas Röwekamp nach dem absehbaren Wahldebakel wieder Fraktionsvorsitzender wird - das ist für Rohmeyer keineswegs sicher.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.