Chinas Facebook-Clon "Renren" an der Börse: Das Prinzip Hoffnung

Die Chinesen sind Marc Zuckerberg voraus. Ihren Facebook-Klon haben sie jetzt an die Börse gebracht. Und versprechen sich davon vor allem eins: viel Geld.

Ist zwar geklont, macht aber nix: Applaus für den Börsenstart. Bild: dapd

Das chinesische Online-Netzwerk Renren ist am Mittwoch an der New Yorker Börse gestartet. Der Wert der Unternehmens-Aktien stieg schon am ersten Tag um ein Drittel. Nur wenige Tage zuvor war Qihoo 360 Technology, das drittgrößte chinesische Internet-Unternehmen, erfolgreich an die Börse gegangen.

Das chinesische Internet-Portal hatte, wie US-Medien übereinstimmend berichteten, die Deutsche Bank sowie die Investmentbanken Morgan Stanley und Credit Suisse beauftragt, den Börsengang vorzubereiten.

Die Strategie chinesischer Unternehmen, sich einen Platz in der ersten Reihe zu sichern, um auch ausländische Investoren zu gewinnen, ist verständlich, hat doch der Branchenprimus Facebook angekündigt, bald eine chinesische Version anzubieten. Facebook will mit der chinesischen Suchmaschine Baidu kooperieren.

Facebook und andere "social-network"-Unternehmen planen ebenfalls den Börsengang. Die Chinesen sind ihnen jetzt eine Nasenlänge voraus. Ob ihnen das jedoch von Nutzen sein wird, ist strittig. Der Marktwert von Unternehmen, deren Geschäftsidee zum großen Teil auf der Datenspionage besteht und daraus, das Online-Verhalten von Nutzern kommerziell auszubeuten, ist mehr eine Spekulationsblase als von Fakten untermauert, was ihrer Attraktion bei Finanzjongleuren jedoch keinen Abbruch tut.

Der "Mark Zuckerberg Chinas"

Renren ist das größte chinesische "social networking"-Unternehmen im Internet. Die Gründer waren Stundenten aus China, die an Universitäten in den USA ausgebildet worden waren, wie Wang Xing , der "Mark Zuckerberg Chinas", wie er genannt wird. Wang verkaufte sein Portal Xiaonei, das bei der Gründung 2005 vor allem für Studenten gedacht war, schon nach einem Jahr an das chinesische Konsortium Oak Pacific Interactive. Vor zwei Jahren wurde Xiaonei ("studentisches Netz") dann in Renren ("Netz für alle") umbenannt.

Im April 2011 hatte RenRen nach eigenen Angaben 31 Millionen aktive Nutzer. Allein sieben Millionen sollen im ersten Quartal dazugekommen sein. Diese Angaben scheinen äußerst zweifelhaft, da der steile Anstieg der Nutzerzahlen "zufällig" vor dem geplanten Börsengang nicht zu der Entwicklung in der Vergangenheit passt und Renren seine eigenen Angaben schon mehrfach nach unten korrigiert hatte. Ein Experte der chinesischen Firma Analysys, die die Marktchancen von Unternehmen im Internet analysiert, hält zehn Millionen Nutzer bei Renren für wahrscheinlicher, da viele mehrere Accounts besäßen, ein Problem, das Facebook ebensowenig lösen kann - und auch nicht will.

Die Hälfte aller US-Bürger, die online sind, haben auch einen Account bei Facebook - mehr als 100 Millionen. In China sind zwischen 280 und 500 Millionen Menschen online - verlässliche Quellen gibt es nicht. Von denen sind aber weniger als zehn Prozent bei Renren. Der Bösengang lebt also auch vom Prinzip Hoffnung, die Dinge könnten sich in China ähnlich entwickeln wie in den USA.

Renren verdient fast nur an Online-Games

Facebook und Renren trennen zudem mehr Dinge als sie gemeinsam haben. Facebook erlaubt externen Firmen, mit ihren eigenen Zusatzangeboten - mittlerweile mehr als 100.000 - technisch anzudocken. Renren hingegen verhält sich sehr restriktiv und hat bisher nur rund 1.000 "Applications" zugelassen. Auch bei den Spielen, die das chinesische "Netz für alle", anbietet, setzt man primär auf eigene Entwicklungen. Ein wesentlicher Teil der Einnahmen von Facebook generiert sich über den Anteil an den Profiten der Drittanbieter, bei Renren sind es mehr die Einnahmen über die eigenen Online-Games.

Renren muss sich daher weniger vor Facebook als vor Konkurrenten aus dem eigenen Land fürchten, wie etwa Kaixin, das ebenfalls in diesem Jahr den Gang an die Börse plant. Kaixin ist vor allem deshalb in China populär, weil es ein internes Spiel anbietet, das dem Browser-Spiel FarmVille von Zynga gleicht, einer virtuellen Bauenhof-Simulation in Echtzeit.

Facebook hat FarmVille mittlerweile integriert und damit ein Vielfaches an Nutzern gewonnen als die technische anspruchsvollere 3D-Welt Second Life. Das chinesische FarmVille bei Kaixin war aber früher da als die US-amerikanische Variante - wer hier vom wem abgekupfert hat, kann nicht mehr festgestellt werden.

Wer schert sich schon um Moral?

Der Börsengang Renrens macht vor allem Sinn vor dem Hintergrund der massiven Internet-Zensur in China. Der Zugang zu Facebook ist den Chinesen versperrt. US-amerikanische Investoren interessieren sich aber für den riesigen chinesischen Markt, den sie daher nur über ein chinesisches "Social Network" erreichen können.

Die Internet-Zensur hat für Chinas Markt die Funktion von Schutzzöllen. Da sich der Profit auch im kapitalistischen China um Moral nicht schert, kann sich die chinesische Regierung langfristig darauf verlassen, dass ausländische Unternehmen in chinesische Internet-Firmen investieren, nicht trotz, sondern gerade wegen der Zensur.

Dieses Modell muss aber nicht automatisch funktionieren. Nach dem Hype in der 3D-Welt "Second Life" im Frühjahr 2007 hatte China sofort seine eigene Version HiPiHI angeboten, Avatare, die in Mandarin chatten. Während die Nutzerzahlen von Second Life seitdem langsam aber stetig stiegen, dümpelt HiPiHi, bei dem zudem Cybersex verboten ist, erfolglos vor sich hin.

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