Massaker in Syrien: Assad lässt auf Trauernde schießen

120 Menschen wurden während der Freitags-Proteste erschossen. Am Samstag begräbt Syriens Opposition ihre Toten. Und dem Regime fällt nichts anderes ein, als wieder das Feuer zu eröffnen.

Die Nationalflagge mit Blutflecken halten Trauernde in Douma vor die Handykamera. Bild: dapd

DAMASKUS/BEIRUT dpa | Syriens immer stärker werdende Opposition hat am Samstag um 120 Demonstranten getrauert, die bei den Anti-Regime-Protesten am Vortag getötet worden waren. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad antwortete mit neuen Schüssen auf die Begräbniszüge. In der südsyrischen Stadt Isra (Provinz Daraa) wurden sechs, in einem Vorort von Damaskus drei Teilnehmer erschossen.

Das berichteten syrische Aktivisten der Nachrichtenagentur dpa am Telefon. Zwei Abgeordnete des an sich linientreuen Parlaments aus der Provinz Daraa gaben unter Protest ihr Mandat zurück.

Nach Angaben der Opposition vom Samstag waren am Vortag in ganz Syrien 120 Demonstranten getötet worden. Aktivisten sprachen von einem "Karfreitags-Massaker". Es war der blutigste Tag seit Beginn der Proteste vor fünf Wochen. Landesweit waren am Freitag Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen die despotische Assad-Herrschaft zu demonstrieren, so viele wie noch nie.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete derweil, bei "Angriffen" von Bewaffneten auf Polizei- und Armeeposten seien zehn Menschen getötet worden. Unter ihnen seien zwei Polizisten sowie zusammen acht Soldaten und angebliche Angreifer. Auf die große Zahl getöteter Demonstranten gingen die Regimemedien nicht ein. Ausländische Journalisten erhalten kaum Arbeitsvisa für Syrien und werden von den Behörden obendrein daran gehindert, die Proteste selbst zu beobachten.

Zu dem hohen Blutzoll kam es, weil Heckenschützen in Zivil von Hausdächern willkürlich in die Menschenmengen feuerten. Die Regimemedien sprachen nur vage von "unidentifizierten Bewaffneten". Die Aktivisten gingen aber davon aus, dass sie zu Sonderkommandos des allmächtigen Geheimdienstes gehörten.

Die Parlamentsabgeordneten Chalil al-Rifaa und Nasser Hariri begründeten ihren Rücktritt im arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira damit, dass sie sich nicht mehr in der Lage gesehen hätten, die Bevölkerung in der Provinz Daraa zu schützen. Die gleichnamige Provinzhauptstadt war einer der ersten Brennpunkte der regierungsfeindlichen Proteste. Dutzende Demonstranten wurden von den Sicherheitskräften allein dort getötet.

Bislang galt es in Syrien als unerhört, dass Abgeordnete ihr Mandat zurückgeben. Das Parlament ist ohnehin nicht frei gewählt. Ähnlich wie in den früheren Ostblock-Staaten wird bei einer Pseudo-Wahl die überwiegende Mehrheit der Sitze über eine vom Regime zusammengestellte Einheitsliste verteilt. Außerdem sind alle politischen Parteien außer der herrschenden Baath-Partei verboten.

Das Blutbad am Freitag wurde auch international verurteilt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte ein sofortiges Ende der "anhaltende Gewalt gegen friedliche Demonstranten". US-Präsident Barack Obama forderte: "Dieser ungeheuerliche Einsatz von Gewalt zur Unterdrückung der Proteste muss jetzt beendet werden."

Assad und sein Regime hätten die Forderungen der Syrer nach Freiheit zurückgewiesen und ihre eigenen Interessen über die des Volkes gestellt, erklärte Obama. Auch die ehemalige Mandatsmacht Frankreich beanstandete die "blinde und brutale Unterdrückung". Außenminister Alain Juppé rief die syrische Regierung auf, künftig auf jeglichen Waffengebrauch gegen Demonstranten zu verzichten.

"Die erneute Gewalt gegen friedliche Demonstranten in Syrien ist inakzeptabel. Sie wird von der Bundesregierung auf das Schärfste verurteilt", ließ auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Samstag mitteilen. Die Vorgänge am Freitag müssten "genau untersucht und juristisch aufgearbeitet" werden.

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