Streit der Woche zum Medienkongress: „Die Freiheit im Netz ist nicht real“

Internet schafft keine Freiheit, solange es in der wirklichen Welt keine gibt, so Journalist Zahi Alawi. Ein "Instrument der Befreiung" ist das Netz laut Politologe Hamad Abdel-Samad.

"Der Westen hat Facebook erfunden, Ägypter und Tunesier haben ihr Leben damit verändert", sagt Politologe Abdel-Samad. Bild: screenshot/facebook.com

Die Revolutionen im Nahen Osten und Nordafrika haben gezeigt, dass das Internet den Weg in die Freiheit ebnen kann. Der Westen habe Facebook erfunden, Ägypter und Tunesier hätten ihr Leben damit verändert, schreibt Abdel-Samad im sonntaz-Streit der Woche. Wurde eine Studentenrevolte in Kairo 1972 noch im Keim erstickt, weil der Aufstand über Telefone oder mit Flugblättern vorbereitet wurde – und die Organisatoren darum schnell identifiziert und verhaftet wurden – war die Kommunikation 2011 „dank Facebook und Twitter schneller, effektiver.“

Beate Wedekind, Autorin und ehemalige Chefredakteurin von Elle und Bunte, freut sich über die persönliche Freiheit, die ihr das Internet bietet, vor allem im Rückblick auf die Zeit vor der Breitbandverbindung. „Ich habe Anfang der 80er bei einer Berliner Tageszeitung volontiert - da gab es noch Bleisatz und die Recherchen waren größtenteils aus erster Hand. Spannend war das, aber auch zeitraubend und an viele Informationen ist man erst gar nicht oder zu spät herangekommen.“ Das Internet habe diese Mauern eingerissen, meint Wedekind über die heutigen Recherchemöglichkeiten von Journalisten.

Doch das Internet stellt bloß einen Raum dar. Die Inhalte werden von seinem Nutzer gefüllt – und darum vielfach kontrolliert. „In vielen Ländern unterliegt das Internet einer Zensur. So bleibt die Freiheit im Netz begrenzt“, findet der deutsch-palästinensische Journalist Zahi Alawi.

Aus ganz anderen Gründen empfindet der Blogger Viktar Malishevsky aus Minsk das Internet als ambivalent. In keinem anderen gesellschaftlichen Bereich sei die Freiheit in Weißrussland so greifbar wie im Internet, schreibt er der taz. Um sich frei zu fühlen, reiche heute ein Internetanschluss. Was wirkliche Freiheit ist, wisse allerdings nur, wer bereit sei, für sie auf die Straße zu gehen. Im direkten Vergleich sei das Internet ein Instrument der Schwachen. „Viele Internetnutzer in meinem Land zahlen für ihre Freiheit, indem sie ihre Online-Rechnung bezahlen“, schreibt Malishevsky, und fügt hinzu: „wenn man sie vor die Wahl stellen würde - Freiheit oder Internet - würden diese Leute das Internet wählen.“

Im Streit der Woche der aktuellen sonntaz diskutieren außerdem der Journalist Hans Leyendecker, der Director of European Public Policy bei Facebook, Richard Allan, die Gründer der Sex-Dating-Plattform poppen.de Julius und David Dreyer, Philosophin Isolde Charim, Studentin Nadine Seidel und Ludwig Rentzsch, Anwalt für Künstler-, Internet- und Medienrecht.

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