Ermittlungen gegen Atomgegner: Briefe auf Verdacht

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg ermittelt unbeirrt gegen alle 1.775 Unterzeichner der Erklärung "Castor schottern" - und hat dabei ihre liebe Mühe.

Nicht nur Schottern ist strafbar, sondern auch das Unterzeichnen eines Aufrufs. Bild: dpa

HAMBURG taz | Vergangene Woche bekam Lukas Schröder* Post von der Lüneburger Polizei. Er habe auf der Internetseite castor2010.org mit seinem Namen unterzeichnet und damit öffentlich zu einer Straftat aufgerufen, stand in dem Brief, und dass er zu diesem Vorwurf Stellung nehmen könne. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet.

1.775 Leute hatten auf castor2010.org die Erklärung "Castor schottern" unterzeichnet. Mit ihrer Kampagne hatten die Atomkraftgegner im Herbst zum massenhaften zivilen Ungehorsam aufgerufen - das Gleisbett an der Castor-Transportstrecke im Wendland sollte durch das Entfernen der Schottersteine unpassierbar gemacht, der Castor damit blockiert werden.

Obwohl die Staatsanwaltschaft Lüneburg ankündigte, gegen alle Unterzeichner der Erklärung zu ermitteln, bekam die Aktion großen Zulauf - 4.000 Menschen versuchten zu den Gleisen durchzudringen, gegen ein großes Polizeiaufgebot.

Für die Lüneburger Staatsanwaltschaft ist die Sache klar. Nicht nur die Begehung von Straftaten sei strafbar, sondern auch die öffentliche Aufforderung dazu.

Bei den Handlungen, zu denen auf der Website unerlaubt aufgerufen worden sei, handele es sich um die Straftaten der Störung öffentlicher Betriebe, möglicherweise auch der Sachbeschädigung.

Laut Staatsanwaltschaft kann die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, selbst wenn sie ohne Erfolg bleibt, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Die Polizei ermittle gegen alle Unterzeichner der Erklärung. Ob anschließend Anklage erhoben werde, sei noch nicht entschieden.

"Bei der Identifizierung der Unterzeichner erstrecken sich die polizeilichen Ermittlungen auf die öffentlich zugänglichen Quellen", sagt Staatsanwältin Angelika Klee.

Dabei gleiche die Polizei die Daten auf der Internetseite mit denen der Einwohnermeldeämter ab, und das dauere. Man könnte versuchen, die Unterzeichner über ihre IP-Adressen zu identifizieren - doch das ist nur bei schweren Straftaten erlaubt.

Bei ihren Ermittlungen tappe die Polizei im Dunkeln, sagt Tadzio Müller, einer der Sprecher der Kampagne "Castor schottern".

Da sie nicht auf elektronischem Wege an die Daten der Unterzeichner herangekommen sei, wisse sie nicht, ob es sich bei den angeschriebenen Personen tatsächlich um die Unterzeichner handele.

Schröder hat allerdings die Vermutung, dass die Polizei auch noch andere Quellen angezapft hat, um an die Daten der Unterzeichner zu kommen.

Weil die Schreibweise seines Namens auf dem Brief nicht mit der des Einwohnermeldeamtes übereinstimmt, glaubt er, dass die Polizei sich an seinen Mobilfunkbetreiber gewandt hat. Nur dort nämlich habe er die jetzt in dem Brief verwendete Schreibweise angegeben.

Die Initiatoren der Schotter-Kampagne haben von solchen Methoden bisher noch nichts gehört. Die Polizei müsse sich die Daten zusammenraten, sagt Müller.

Es gehe ihnen allerdings nicht darum, Versteck zu spielen. Komme es zu einem Prozess, werde man "offensiv" reagieren.

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