Arte Fashion Week: Der Punk, der keiner ist

Mit einer Dokumentation über Vivienne Westwood endet die Modewoche auf Arte. Die Designerin gibt sich gerne konsumkritisch – aber ist sie das auch wirklich?

Von der Queen geadelt: Modeschöpferin Vivienne Westwood. Bild: reuters

BERLIN taz | Sie ist klein, zierlich und sieht mit ihrem orange-rot gefärbtem Haar und dem blassen Teint aus wie eine Adelige aus dem Geschlecht der Tudors. Dabei prägte die britische Designerin Vivienne Westwood mit ihren Kreationen die Punk-Mode der siebziger Jahre wie keine andere – und kleidete Bands wie die Sex Pistols und die New York Dolls ein.

Mit ihren schockierenden Entwürfen sorgte sie dafür, dass diese Subkultur zum Lebensgefühl einer ganzen Generation wurde. Heute ist die „Punk-Omi“ fast 70, lebt in London und gehört zu den wichtigsten Modemacherinnen unserer Epoche. Sie kreiert immer noch exzentrische Modekombinationen, distanziert sich aber mittlerweile vom Image der „Queen of Punk“.

Genau das zeigt die Dokumentation „Do it yourself – Vivienne Westwood“ (Fr., 4. März, 21.40 Uhr) der französischen Filmemacherin Letmiya Sztalryd. Ein Jahr lang hat sie die britische Modeikone mit der Kamera begleitet. Herausgekommen ist das Porträt einer Frau, die auf der Suche nach Veränderung ist, sich dabei immer wieder neu erfindet und gerne provoziert.

Letmiya Sztalryd spart jedoch Vivienne Westwoods Vergangenheit komplett aus. „Mich hat nicht interessiert, wie sie gelebt hat, sondern wie sie heute lebt. Sie war nie ein Punk. Sie ist eine Künstlerin und vor allen Dingen ist sie eine Frau. Die Frau, die sie heute ist, hat mich interessiert.“ Doch wer ist diese Frau eigentlich und für welche Ideale steht sie?

Vivienne Westwood versteht sich immer noch als Aktivistin. In ihrem 2007 erschienen Manifest „Active Resistance against Propaganda“, kurz „AR“, ruft sie zum Widerstand gegenüber jeglicher Form von Propaganda auf und rät zum Konsumverzicht: „Seht nicht fern, sondern lest Bücher, geht lieber ins Museum anstatt ins Kino“, heißt es darin.

Sie selbst liest am liebsten Werke des britischen Schriftstellers Aldous Huxley (1894-1963), mit ihm teilt sie die Vorstellung, dass die drei schlimmsten Übel der Menschheit nationalistische Verehrung, organisierte Lügnerei und permanente Zerstreuung sind. In ihren letzten Modekampagnen nahm sie daher immer wieder Bezug auf aktuelle politische Debatten und entwarf im Jahr 2005 T-Shirts mit dem Aufdruck: „Ich bin kein Terrorist. Bitte nehmt mich nicht fest.“

Das ist das Ideal, was Vivienne Westwood gerne über sich verbreitet, so möchte sie nach außen hin dargestellt und wahrgenommen werden. Letmiya Sztalryd tut ihr diesen Gefallen und beteiligte die Modeschöpferin inhaltlich stark an der Fertigstellung ihres Dokumentarfilmes „Do it yourself“. „Die Zusammenarbeit mit ihr war teilweise sehr schwierig“, erklärt die Regisseurin nach der Premiere ihres Films vergangenen Freitag, „da sie zuerst gar nichts über sich preisgeben wollte und wir viel darüber diskutiert haben, was der Film erzählen darf und was nicht.“

Dabei ist es längst kein Geheimnis mehr, dass die von der Queen geadelte Modeschöpferin mit ihren Kreationen millionenfache Jahresumsätze erzielt. Die Punks, die früher Schlange vor ihrem Laden „World's End“ in der Londoner Kings Road standen, können sich ihre sündhaft teuren Modestücke schon lange nicht mehr leisten. Und genau das weiß auch Vivienne Westwood, wenn sie von ihrem Widerstand gegen die Konsumgesellschaft spricht und zur Marke macht, was sie offenkundig anprangert. Widerstand verkauft sich nun mal eben gut.

Leider hat Letmiya Sztalryd sich selbst und ihren Film zum Propaganda-Instrument der Modedesignerin gemacht. Vieles, was Westwood hier verkündet und verkörpert, bleibt unangefochten im Raum stehen, wirkt diffus und unklar. Ganz eindeutig dagegen ist ihre Botschaft, mit der auch der Film endet und die einem jegliche Illusion von dem raubt, was die rebellische Britin einst verkörperte: „Mein Rat als Designerin ist: Kaufen Sie nicht alles.

Aber wenn sie etwas kaufen, suchen Sie es gut aus. Und kaufen Sie es am besten bei mir.“ Damit ist nun auch der letzte grellhelle Komet im Designerhimmel, der letzte Punk der Modewelt endgültig auf den Boden der Tatsachen angekommen: In der gecleanten Wirklichkeit der High-Fashion-Mode.

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