Schwedische Zeitung "Aftonbladet": Online schlägt Print

Die Stockholmer Tageszeitung "Aftonbladet" verdient erstmals durch Online-Werbung mehr als in der Papierausgabe. Deshalb soll jetzt ein Online-Bezahlmodell getestet werden.

Die Idee: Nachrichten bleiben gratis, Unterhaltung soll kosten. Bild: screenshot/aftonbladet.de

STOCKHOLM taz | "Historisch", nennt die Geschäftsführung das Resultat. „Ich vermute mal, wir stehen damit bislang weltweit allein“, glaubt Verlagschefin Anna Settman. Schwedens auflagenstärkste Tageszeitung Aftonbladet verdiente 2010 mit Onlinewerbung erstmals mehr als mit Printwerbung. Gleichzeitig brach die Druckauflage mit einem Minus von fast elf Prozent dramatisch ein.

Die Zeitung resümiert nun, sie sei "als erstes in der Zukunft angekommen": Das krampfhafte Schielen nach Auflagenziffern sei vorbei, jetzt zähle allein die gesammelte "Reichweite". Und bei der werde ein Printverlust von 17 Prozent durch den digitalen Zuwachs von über 20 Prozent mehr als ausgeglichen. Was für die Einnahmen allerdings noch nicht so ganz stimmt. Nach dem für beide Plattformen gesondert ausgewiesenem Geschäftsergebnis machte die gedruckte Ausgabe - die eine Million SchwedInnen erreicht - einen Jahresgewinn von umgerechnet 22 Millionen Euro, während das gesammelte digitale Angebot mit mehr als doppelt so hoher Reichweite "nur" halb so viel Gewinn in die Kasse spülte.

Ein neues Bezahlmodell soll das digitale Einkommensbein deshalb nun stärken. Im Laufe der letzten Jahre hat man die LeserInnen der Seite „www.aftonbladet.se“ schon einmal langsam daran gewöhnt, dass nicht aller Inhalt der Online-Ausgabe gratis ist. Will man ausführliche Konsumenten- und Autotests, den ganzen Inhalt der täglichen Sportbeilage, wöchentlich einen Reiseführer und das ein oder andere Bonusangebot haben, muss man sich das Digi-Abo „Aftonbladet-Plus“ kaufen. Das ist immerhin schon jetzt 100.000 UserInnen (also fünf Prozent der regelmäßigen BesucherInnen der Website) monatlich 3,20 Euro wert.

Ab April soll „Aftonbladet-Plus“ auf das gesamte Feature-Material ausgedehnt werden. Im Prinzip sind in digitaler Form dann vermutlich nur noch Nachrichten gratis, deren Vertiefung und alle Unterhaltung könnte hinter einer Bezahlwand verschwinden. Außerdem soll es unterschiedlich teure Abostufen für unterschiedliches „Plus“-Material geben.

Das sei eigentlich ein logischer Schritt, meint Mikael Zackrisson, der beim öffentlich-rechtlichen schwedischen Rundfunk Projektleiter für den Bereich digitale Medien ist: „Für Nachrichten und Kommentare wird man nie eine Bezahlung verlangen können. Im Gegenteil sind diese Inhalte die Voraussetzung dafür, überhaupt User auf eine Website zu locken. Unterhaltung ist das Premiumprodukt, wenn die Leute erst mal im Laden sind.“ Eine womöglich „recht geglückte Symbiose“ für die Medienbranche werde da versucht – wenn das Angebot den Preis wert sei.

Dass Aftonbladet als größtes Online-Portal aller skandinavischen Medien dieses Modell nun testen will, wird von der Konkurrenz begrüßt. „Wir haben ja ähnliche Ambitionen“, meint Bengt Ottosson, Zeitungschef von Expressen, der Stockholmer Aftonbladet-Konkurrenz.

„Mutig und wichtig“ findet Emanuel Karlsten, Expressen-Redakteur für soziale Medien den Schritt der Konkurrenz. Sei dieser erfolgreich, könne der Weg für andere Medien frei werden, ähnliches zu tun. Falls nicht, werde jedenfalls klar, dass es so nicht geht. Karlsten selbst hält diesen Weg für falsch: Auch treue Leser würden der gewohnten Website den Rücken kehren, wenn bei jedem zweiten Klick auf eine Überschrift eine Bezahlaufforderung aufpoppt.

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