Der pädosexuelle taz-Kollege: "Didi war den Frauen zugetan"

Einer der Verführer und Gewalttäter aus dem Odenwald hat die taz mit gegründet. Gutachterinnen werfen ihm vor, kleine Jungen sexuell missbraucht zu haben.

Noch ist nicht alles bekannt, was an der Odenwaldschule passierte. Bild: reuters

BERLIN taz | Die Indizien und Belege sind eindeutig: Der Ende der 1970er zu ersten Generation der tazler gehörende Dietrich W. zählt zu den Tätern an der Odenwaldschule. Im Bericht der beiden unabhängigen Gutachterinnen zur Aufklärung, Claudia Burgsmüller und Brigitte Tilmann, werden W. neun betroffene Jungen zugeordnet. Recherchen der taz bestätigen den Verdacht. Dietrich W. hat Kinder missbraucht. Er verführte die Buben, übte sexuelle Gewalt gegen sie aus.

Dietrich W. ist Ende 2009 im Alter von 64 Jahren gestorben. Er berichtete viele Jahre aus Stuttgart für die tageszeitung, häufig über den Prozess gegen Terroristen der "Roten Armee Fraktion". An der Odenwaldschule arbeitete er von 1969 bis 1972, ehe es zum Bruch mit der Schule kam. "Über einen Kunstlehrer, der auch als häufiger Teilnehmer der Griechenlandreisen der Schule benannt wird", so steht es im Abschlussbericht, "wird von 3 Altschülern und selbst Betroffenen berichtet; sie waren zur Tatzeit zwischen 12 und 14 Jahre alt." Dieser Kunstlehrer ist der spätere taz-Korrespondent. Die von W. missbrauchten Jungen nennen weitere sechs Schüler, die von W. sexuell belästigt wurden.

Ehemalige taz-KollegInnen fallen aus allen Wolken, wenn sie von den Vorwürfen gegen Dietrich W. hören. In einem Nachruf auf ihn hieß es Ende 2009 in der taz, vor allem Kinder hätten zu W.s Leben gehört. "Ich habe nichts von den Vorwürfen geahnt und hätte mir das nicht vorstellen können", sagte Max Thomas Mehr, einer der Autoren des Nachrufs, am Freitag zur taz. "Sexuelle Übergriffe auf Jungen sind etwas Furchtbares, sie sind nicht zu rechtfertigen."

Die taz wird dem Thema sexuelle Gewalt an der Odenwaldschule weiter gründlich nachgehen - und auch ihre eigenen Verstrickungen und Querverbindungen aufklären.

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Der Journalist W., der später auch für Spiegel, Stern und Zeit schrieb, unter anderem als Kriegsberichterstatter im Kosovo-Krieg, hatte schon vor seiner Zeit als Lehrer an der Odenwaldschule enge Verhältnisse zu Jungen, die er auch sexuell ausnutzte. "Von einem Freund weiß ich, dass er als Kind eine homoerotische Beziehung zu Dietrich W. hatte", sagte ein Ex-Schüler der taz. "Das war vor der Zeit an der Odenwaldschule."

An der Schule war es eher ein offenes Geheimnis, dass auch W. zu den pädosexuellen Lehrern gehörte. "Habe ich dir das nie erzählt, dass er jugendliche Liebhaber hatte", erzählen sich Ex-Schüler des Kunstlehrers, wenn sie heute von den Vorwürfen erfahren. Es habe auch Eifersüchteleien zwischen den Lehrern um die Buben gegeben. Über W. sagt jemand aus seiner Zeit im Odenwald: "Er hat sich immer gerne mit Jungen umgeben, deren Beziehung er philosophisch überhöhte." Das griechische Bild von der Knabenliebe und der pädagogische Eros mussten dafür herhalten, die Verhältnisse zu den Jungen zu verbrämen.

Nach bisherigen Informationen soll W. nach seiner Zeit an der Odenwaldschule von seiner Pädosexualität abgerückt sein. Der attraktive Mann habe danach immer nur Beziehungen mit Frauen gehabt, und zwar gleichaltrigen, häufig feministisch eingestellten Partnerinnen. Auch ein ehemaliger Schüler W.s, der in seiner Internatsfamilie gelebt hat, sagte der taz: "Didi war den Frauen zugetan." Über die Zeit an der Odenwaldschule sagt er: "Wir alle hatten ein enges Verhältnis damals, etwa zehn Jungs und Mädels waren in einer ,Schulfamilie'. Aber so etwas wie Belästigung oder Misshandlung - davon habe ich nichts gemerkt."

W.s journalistischer Weg führte ihn nicht nur in die Gerichtssäle in Stuttgart-Stammheim oder an die Fronten des Balkans, er kümmerte sich später intesiv ums Kinderfernsehen. W. war Mitarbeiter des Südwestrundfunks und gehörte dem Team der Sendung "Tigerentenclub" an. Er organisierte auch ein Treffen von Kindern und Nobelpreisträgern auf der Insel Mainau. Daraus entstand eine Kinderuniversität - ein Modell, das heute viele Hochschulen pflegen.

Die taz wird sich mit dem Fall weiter intensiv befassen. "Die Verbindungen zwischen Kindesmisshandlern, der deutschen Linken und auch der taz zu der Zeit sind offensichtlich noch nicht ausreichend geklärt", sagte der stellvertretende Chefredakteur, Reiner Metzger, am Freitag.

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