Kommentar Kasachstan: Öl gut, Demokratie kaputt

Kasachstan schafft die Wahlen ab und die lebenslange Präsidentschaft an. USA und Deutschland heucheln Empörung, in Wirklichkeit wollen sie die Beziehungen nicht stören.

Kasachstan macht den Westen und dessen Tischreden zu Demokratie und Menschenrechte lächerlich. Mit einer possenhaften Intrige schafft das zentralasiatische Land die Wahlen ab.

Erst wehrt sich der mittlerweile 70-jährige Nursultan Nasarbajew mittels Veto gegen ein Referendum zur Amtsverlängerung, danach sammelt eine kasachische Volksinitiative in Windeseile über fünf Millionen Stimmen unter die Forderung dessen Vollmachten bis in das Jahr 2020 zu verlängern, und zum Schluss paukt das kasachische Parlament eine Verfassungsänderung durch, die dieses in Form eines Referendums ermöglicht.

Der Steppenautokrat Nasarbajew, dessen Land über riesige Öl und Gasvorkommen verfügt, wird vom Volk gezwungen, lebenslang zu regieren. Wenn das nicht wirklich gelebte Demokratie ist?

Und all das ereignet sich kurz nach dem Kasachstan den einjährigen Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa inne hatte und dazu in Astana ein pompöses Gipfeltreffen veranstaltete.

MARCUS BENSMANN lebt und arbeitet als Korrespondent der taz in Zentralasien.

Gerade die USA und die EU und vor allem auch Deutschland erklärten zuvor, dass dadurch die demokratischen Reformen in dem zentralasiatischen Land regelrecht befeuert würden; dabei diente die Veranstaltung in Kasachstan nur dem Zweck, den Personenkult des kasachischen Herrschers zu bereichern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die US-Außenministerin Hillary Clinton, die gehorsam im Dezember Nasarbajew in Astana die Aufwartung machten, zeigten, worum es dem Westen in den Beziehungen zu Zentralasien geht: Gas, Öl und die geopolitische Nähe zu Afghanistan.

Die nun gespielte Empörung der USA und Deutschland über die kasachischen Referendumsspielchen ist heiße Luft. Denn Kasachstan liefert beides: Die Rohstoffe und den Transit für die nördliche Versorgungsroute für den Afghanistankrieg.

Und schon am 24.Januar steht ein weit schlimmerer Despot als Nasarbajew vor Europas Toren. Der usbekische Präsident Islam Karimow reist nach Brüssel.

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„Das liegt doch irgendwo in Russland“ oder „Samarkand?  Seidenstrasse?“ sind zwei häufige Antworten, wenn ich in Deutschland von meiner Arbeit in Zentralasien erzähle. Die Region zwischen dem Kaspischen Meer und chinesischer Grenze tut sich auch 20 Jahre nach der Unabhängigkeit schwer, einen Platz in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit zu erobern.Mich aber faszinieren Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan seit vielen Jahren, obwohl in den Redaktionen das ungeschriebene Gesetz gilt,dass Veröffentlichungschancen sinken, je mehr Stans in einem Satz vorkommen. Ich berichte aus dem Hinterland des Natokrieges in Afghanistan über Aufstände, Revolutionen,Wasserkriege und wie deutsche Politiker mit dem usbekischen DespotenIslam Karimow kungeln, um sich die Bundeswehrbasis in dessen düsteren Reich an der afghanischen Grenze zu sichern.Ich nehme die Ereignisse selbst in Augenschein und berichte in Zentralasien oft als einer der ersten, manchmal sogar als einziger, vom Ort des Geschehens. Sei es bei den zwei Machtumstürzen (2005 und 2010), und dem ethnischen Konflikt in Kirgistan (2010), dem Massaker in der usbekischen Provinzstadt Andischan (2005), den Ölarbeiterstreiks in der westkasachischen Steppenstadt Schanaozen und dessen blutigem Ende (2011), und den Gefechten in der tadschikischen Pamirprovinz Badachschan (2012). Ich, Jahrgang 1969, arbeite seit 1994 aus Zentralasien für Schweizer und deutsche Medien. Seit 2006 bin ich zudem dort als taz-Korrespondent tätig. Ich halte Vorträge zu Zentralasien und beteilige mich an Podiumsdiskussionen. Deutschland:+491795057442 Kirgistan:+996777565575

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