Urteil gegen Neonazi aufgehoben: Keine Geldbuße für Schweige-Spalier

Linke demonstrieren in Finsterwalde und 40 Neonazis organisieren ein "Schweigespalier". Das Amtsgericht verhängt dagegen eine Geldbuße, doch Karlsruhe hebt es wieder auf.

Beschauliches Städtchen: Marktplatz in Finsterwalde. Bild: Manu – Lizenz: CC-BY-SA

KARLSRUHE/BERLIN dpa/taz | Die vom Amtsgericht Bad Liebenwerda in Brandenburg verhängte Geldbuße gegen ein Mitglied der rechten Szene wegen Teilnahme an einer unerlaubten Versammlung ist rechtswidrig. Das Bundesverfassungsgericht erklärte in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss, das Urteil des Amtsgerichts habe den Kläger in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt.

Im August 2004 hatte in Finsterwalde in Brandenburg eine angemeldete Demonstration unter dem Motto "Keine schweigenden Provinzen - Linke Freiräume schaffen", stattgefunden. Etwa 40 Mitglieder der rechten Szene, darunter auch der Kläger, postierten sich schweigend entlang der Route der Kundgebung.

Das Amtsgericht verurteilte den Kläger wegen fahrlässiger Teilnahme an einer unerlaubten Ansammlung zu einer Geldbuße von 75 Euro. Die Zusammenkunft habe nicht der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gedient, sondern nur den Zweck verfolgt, die Teilnehmer der linken Demonstration durch Anwesenheit zu provozieren, argumentierte das Amtsgericht. Der Mann zog daraufhin erfolglos vor das Oberlandesgericht Brandenburg.

Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil des Amtsgerichts nun auf. Ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung könne auch durch einen Schweigemarsch geäußert werden, erklärte das höchste deutsche Gericht. Allein die Anwesenheit die Gruppe könne eine eigenständige politische Aussage darstellen. Zudem stehe auch eine nicht angemeldete Zusammenkunft unter dem Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. (Az: 1 BvR 1402/06)

Die Neonazi-Szene in Finsterwalde fällt aktuell nicht durch besondere Aktivität auf, sagte Gesa Köbberling von der Opferperspektive der taz. Im Jahr 2010 habe es "keinen dokumentierten Angriff gegeben". Gleichwohl sei die Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei sehr schlecht und es sei schwierig, von Übergriffen überhaupt zu erfahren. Im Sommer 2007 waren alternative Jugendliche durch Finsterwalde gejagt worden, 2010 wurde die Sache vor Gericht verhandelt, der Fall endete mit Freisprüchen.

Auch heute gebe es nach wie vor es eine rechte Szene vor Ort. In Finsterwalde mache die NPD Infostände und Neonazis zeigten Präzenz. Köbberling sagte auch, die Schweige-Spalier-Situation, wie von den rund 40 Nazis im Jahr 2004 herbeigeführt, würde für Linke und Alternative in Finsterwalde sehr wohl "einschüchternd" wirken.

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