Neue Schweinegrippe-Fälle: In den Ärmel niesen und locker bleiben

Das H1N1-Grippevirus ist zurück. Das Robert-Koch-Institut ist nicht überrascht und warnt vor Panikmache: Es gäbe keine Hinweise auf eine aggressive Mutation.

Schweinegrippe, ein emotionales Thema: H1N1-Graffiti in China. Bild: ap

Die Bild-Zeitung kochte schon mit der Schweinegrippe-Angst, bevor die Uniklinik Göttingen zwei Tote meldete, die mit dem Virus infiziert waren. Seit der Nachricht über das Sterben einer Dreijährigen und eines 51-Jährigen aber ziehen andere Medien nach. Regionalzeitungen zählen wieder Verdachtsfälle, Agenturen tickern einzelne Erkrankungen: zwei junge Frauen mit H1N1-Infektion auf der Intensivstation der Uni Hannover, ein 25-Jähriger schwer krank im Uniklinikum Leipzig, und so fort.

Das für Krankheitsüberwachung zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) jedoch ist keinesfalls überrascht, dass die "Schweinegrippe wieder da" ist, wie manche Schlagzeile nahelegt. Dass das H1N1-Virus auch in dieser Grippesaison zirkulieren würde, war erwartet worden. Hinweise darauf, dass der Erreger im Vergleich zum Vorjahr aggressiver geworden sei, so das RKI, habe man bisher nicht.

In der vorigen Saison war das Gros der Erkrankungen mild verlaufen. Das RKI zählte 258 Tote mit Schweinegrippe-Infektion. Dass das Virus jeweils auch Todesursache war, ist damit nicht gesagt. Im neuen Fall des 51-Jährigen aus Göttingen kamen nach Angaben der Uniklinik "schwer wiegende Grunderkrankungen" mit der Infektion zusammen. Die genaue Todesursache der Dreijährigen wird noch untersucht. Zur Einordnung der Zahlen hilft auch ein Blick in die allgemeine Sterbestatistik: Alle Unfälle und Krankheiten zusammengenommen, versterben in Deutschland jährlich mehr als 800.000 Menschen.

23. 4. 2009: Mexiko meldet erste H1N1-Fälle an die WHO.

25. 4. 2009: Die WHO warnt vor dem "Pandemie-Potenzial" des Schweinegrippe-Virus.

14. 6. 2009: Die Bundesländer einigen sich, Impfstoff für 30 Prozent der Bevölkerung zu kaufen.

Herbst 2009: Start der Impfkampagne. Die Qualität des Impfstoffs wird heiß diskutiert. Ansteckungswelle in Deutschland. Teils schließen Schulen und Kitas. Erste Todesfälle.

Januar 2010: Die Länder verhandeln mit GlaxoSmithKline über eine geringere Impfstoffabnahme.

10. August 2010: Die WHO beendet die Alarmstufe "Pandemie".

Weil H1N1 weiter zirkuliert, erwartet man beim RKI allerdings auch, dass häufiger als bei anderen Influenza-Viren jüngere Menschen schwer erkranken. Quasi allein unterwegs, wie in der vorigen Saison, sei das Virus aber nicht. Der Anteil anderer Influenza-Viren wird auf rund ein Drittel geschätzt.

Entsprechend ist der saisonale Grippe-Impfstoff für diesen Winter gebaut. Er soll gegen H1N1 und zwei weitere Virenstämme schützen. Gleichzeitig lagern riesige Mengen des Pandemie-Impfstoffs aus der vorigen Saison bei den Bundesländern. Im Hype um die Krankheit hatten sie 50 Millionen Dosen bestellt. Davon seien 28,7 Millionen im Einkaufswert von rund 239 Millionen Euro nicht verbraucht, meldete die Gesundheitsministerkonferenz Ende Dezember. Und so wenig die Impfung genutzt wurde, so wenig weiß man darüber, was sie genutzt hat. Es wurde nicht systematisch untersucht.

Einer, der die mediale Dramatisierung der Schweinegrippe ab 2009 scharf kritisiert hatte, ist der Arzneiversorgungsforscher Gerd Glaeske. Dass das jetzt wieder losgehe, habe ihn "tief bestürzt", sagte er. Natürlich werde es wieder Grippefälle geben in diesem Winter – auch Todesfälle durch andere Erreger als H1N1. Einige Berichte seien aber "völlig unangemessen". Seine Tipps für den Umgang mit den Viren: Hände waschen, Abstand halten, in den Ärmel niesen. Und um andere nicht anzustecken, den eigenen Impfstatus überprüfen, und: "Man sollte wirklich gelassen bleiben."

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