Telekom-Bespitzelungsaffäre: "Reine Selbstjustiz"

Der Exsicherheitschef der Telekom bekommt wegen illegaler Bespitzelung dreieinhalb Jahre Haft. Das Gericht attestiert den Telekom-Beschäftigten ein Mangel an Zivilcourage.

Bild: dpa

BONN taz | Das strafrechtliche Nachspiel des Bespitzelungsskandals bei der Telekom endet mit der Verhängung einer mehrjährigen Haftstrafe. Das Bonner Landgericht verurteilte gestern den früheren Sicherheitschef des Konzerns zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Klaus T. habe gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen und sich zudem des Betrugs und der Untreue schuldig gemacht.

Mit ihrer Entscheidung folgten die Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung plädierte demgegenüber für eine Geldstrafe. T. hatte im Prozess die alleinige Verantwortung für das illegale Ausspionieren übernommen. Der 60-jährige Ex-Abteilungsleiter für Konzernsicherheit war der letzte noch verbliebene Beschuldigte in der seit September laufenden Verhandlung. Gegen zwei weitere ehemalige Telekom-Beschäftigte wurde der Prozess wegen geringer Schuld gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Zuvor war das Verfahren gegen den Berliner Unternehmer Ralph Kühn aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt worden.

Kühn hatte mit einem Fax an die Telekom im April 2008 den Skandal ins Rollen gebracht. In dem Schreiben forderte er die Begleichung noch offener Rechnungen und pries die Arbeit seiner EDV-Firma: "Die Projekte können selbst im nachrichtendienstlichen Maßstab nur als ungewöhnlich flächendeckend und ausgefeilt bezeichnet werden." Doch statt zu zahlen, entschied Telekom-Vorstandschef René Obermann, die Altlast aus der Zeit seines Vorgängers Kai-Uwe Ricke der Staatsanwaltschaft zu übergeben.

So kam heraus, dass die Sicherheitsabteilung der Telekom in den Jahren 2005 und 2006 mehrere Dutzend Aufsichtsräte, Gewerkschafter und Journalisten ausspioniert hatte. Systematisch wurden Telefon- und Handyverbindungsdaten erfasst und ausgewertet. Zu den Ausgespähten gehörten auch hochrangige Gewerkschafter wie Ver.di-Chef Frank Bsirske.

Auslöser der illegalen Operationen, die unter den Namen "Rheingold" und "Clipper" firmierten, war ein Bericht des damaligen Capital-Redakteurs Reinhard Kowalewsky über vertrauliche Planungen der Telekom. Während mit "Rheingold" die Quelle Kowalewskys ausfindig gemacht werden sollte, ging es anschließend bei "Clipper" um eine Art Vorbeugemaßnahme: Um eine undichte Stelle künftig einfacher ausfindig zu machen, wurden die Verbindungsdaten von fünf Journalisten, die häufig über die Telekom berichteten, auf Vorrat gespeichert.

Dieser zweite Vorgang sei "noch ungeheuerlicher" als der erste, sagte der Vorsitzende Richter Reinhoff. Denn bei "Rheingold" habe es sich um unzulässige "reine Selbstjustiz" gehandelt, bei "Clipper" hingegen um eine Überwachungsmaßnahme, "die nicht einmal dem Staat zusteht". "Was hier passiert ist, ist keine Affäre, sondern sind massive Straftaten", sagte Reinhoff.

Das Gericht zeichnete das Bild eines erschreckend autoritätshörigen Unternehmens. Es habe offenkundig an Zivilcourage gemangelt. "Wenn Sie bei der Telekom sagen, das kommt vom Vorstandsvorsitzenden, dann klappt alles", konstatierte Reinhoff. Egal, ob die entsprechende Anweisung nun tatsächlich "von oben" gekommen sei oder nicht.

Immer wieder hätten sich Mitarbeiter darauf zurückgezogen, nicht gewusst zu haben, was sie unterschrieben hätten - auch wenn es sich um Anweisungen größerer Beträge gehandelt hätte.

Mehrfach betonte der Richter, die Telekom habe es T. einfach gemacht. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft auch gegen Ex-Konzernchef Ricke und Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel ermittelt. Doch im Juni stellte sie das Verfahren gegen die beiden Topmanager ein. Als Zeuge hatte Ricke im Prozess ausgesagt, dass er zwar die Anweisung gegeben hatte, das Informationsleck zu schließen. Aber Gedanken darüber, wie das funktionieren sollte, will er sich nicht gemacht haben. Auch habe er nicht gewusst, dass illegale Methoden angewandt worden seien. Zumwinkel hatte sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, um sich nicht möglicherweise selbst zu belasten.

Es ist enttäuschend, dass die größte Spitzelaffäre in Deutschland mit einem Angeklagten zu Ende geht", kommentierte der ehemalige Bundesinnenminister und Opferanwalt Gerhart R. Baum das Urteil. Baum, der bei der Urteilsverkündung anwesend war, ist überzeugt: "Er hat nicht auf eigene Faust gehandelt."

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