Anonyme Bewerbungen: Sag mir nicht, wer du bist!

Hans und Anna wollen den gleichen Job. Aber Anna hat ein Kind. Oft hat Hans dann bessere Karten. Um diese Nachteile zu beenden, testen Firmen anonyme Bewerbungen.

Kein Foto, kein Name, dafür vielleicht eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Bild: dpa

BERLIN taz | Gut ausgebildet, intelligent, aber immer Pech bei Bewerbungen - weil der Nachname nicht Müller, Meier, Schulz heißt, sondern Celik oder Arslan. Um dieser Diskriminierung entgegenzuwirken, startete am Donnerstag ein Pilotprojekt für anonymisierte Bewerbungsverfahren in Deutschland.

Personaler in ausgewählten Unternehmen werden künftig Bewerbungsunterlagen auf ihrem Schreibtisch finden, in denen persönliche Angaben wie Name, Alter, Geschlecht, Herkunft und Familienstand fehlen. So sollen nicht nur Ausländer, sondern auch ältere Menschen oder Frauen mit Kindern bessere Chancen auf dem Jobmarkt bekommen.

An dem Projekt beteiligen sich ein Jahr lang die Deutsche Post, die Telekom, das Kosmetikunternehmen L'Oréal, der Geschenkdienstleister Mydays, der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, das Bundesfamilienministerium, die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Stadtverwaltung in Celle.

Insgesamt sollen so rund 225 Arbeits- Ausbildungs- und Studienplätze mit tausenden Bewerbungen durch ein anonymes Verfahren vergeben werden. Die Stellen reichen von der Lehrlingsausbildung über Studienplätze bis hin zu Jobs im mittleren Management.

Das Projekt soll Aufschluss darüber geben, ob oft benachteiligte Bewerber nun häufiger zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden als bisher. Aber es soll auch darum gehen Menschen, die nach einer Vielzahl von Absagen frustriert sind, wieder für eine Bewerbung zu motivieren.

Laut einer Forsa-Umfrage befürworten 56 Prozent der Befragten anonyme Bewerbungen. Insbesondere Menschen zwischen 45 und 59 Jahren machen sich laut Umfrage über das Verfahren Gedanken.

Wie die Anonymisierung der Bewerbung erfolgt, wird ganz unterschiedlich geregelt. "Das Bundesfamilienminsterium tut dies zukünftig, indem es eine Onlinebewerbung anbietet", wie Frank Plate vom Ministerium sagte. Andere Unternehmen werden ein per Post oder Email bereitgestelltes Formular verwenden oder nachträglich anonymisieren.

Die teilnehmenden Unternehmen selbst hält Christine Lüders, neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, "für einen guten Mix, der aus großen und kleinen Unternehmen sowie verschiedenen Anonymisierungsmethoden besteht". Sie erwartet, "Erkenntnisse über die Umsetzbarkeit anonymisierter Bewerbungsverfahren" zu gewinnen. Doch ein Gesetzesvorstoß wird nicht angestrebt. "Auf freiwilliger Basis ist dies sicherlich viel fruchtbarer", sagte Lüders.

Doch mit aller Konsquenz wird die Anonymisierung der Bewerbungen nicht durchgesetzt. Wenn es zu einem Vorstellungsgespräch kommt, müssen die üblichen Unterlagen an die Personalabteilung gegeben werden. "Immerhin müssten sich die Personaler auch für ein Bewerbungsgespräch vorbereiten", so Lüders, die aber an den Erfolg des Projekts glaubt. Schließlich bekämen viele Menschen trotz hoher Qualifikation gar nicht erst die Chance auf ein Vorstellungsgespräch.

Am Ende des Probejahres soll dann eine Evaluation zeigen, welche Erfahrungen die PersonalerInnen mit den neuen Verfahren machen. Aber auch die Resonanz der Bewerber sei wichtig, so Lüders. Begleitet wird das Projekt vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) und von der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt (KOWA) in Frankfurt Oder, die das ganze Verfahren am Ende eines Jahres qualitativ und quantitativ evaluieren werden. Erst dann wird sich zeigen, ob Ali und Ismet bei gleicher Qualifikation ähnlich häufig einem Personaler gegenüber sitzen wie Hans und Anna.

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