Kommentar Privatisierungsschäden: Schluss mit dem Privatisierungswahn

Nachdem immer mehr Menschen die negativen Folgen des Privatisierungswahns zu spüren bekommen, steigt die Wertschätzung für öffentliches Eigentum wieder an.

Beirut mitten in Berlin, so titelte eine Boulevardzeitung: Für Besetzer und Polizei mag die Räumung der Mainzer Straße vor zwanzig Jahren Bürgerkrieg gewesen sein. Das gefiel vor allem der militanten Szene. Es herrscht Krieg in den Städten: eine populäre Losung, damals.

Jenseits der martialischen Rhetorik aber waren die Ereignisse 1990 tatsächlich eine politische Zäsur. Der massive Leerstand in Ostberlin und die Besetzung von 130 Häusern offenbarten das Scheitern einer staatlich gelenkten Wohnraumpolitik. Dem gegenüber stand der Ruf nach "Rückgabe vor Entschädigung".

Zwischen diesen Polen eröffnete der Sommer der Anarchie die Diskussion über Alternativen. Auch wenn im Rückblick die Besetzer als Avantgarde der Privatisierung erscheinen: Ohne das damalige Experimentieren gäbe es heute keine Wohnungsgenossenschaften. Die Kommerzialisierung war nicht die einzige Alternative zur gescheiterten Verstaatlichung, sondern auch die Aneignung und erfolgreiche Bewirtschaftung von unten bot Chancen.

Zwanzig Jahre später haben die Versprechen der Privatisierung endgültig ausgedient. Investoren treiben die Mieten in die Höhe, die Wasserpreise steigen, allenthalben ertönt der Ruf nach Rekommunalisierung.

Mit dem Protest gegen Stuttgart 21 ist das Thema öffentliches Eigentum in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bahnhöfe, Hallenbäder, Wohnanlagen - wir schätzen wieder wert, was die Kommunen einst gebaut haben: Es gehört uns.

Das Beispiel Stuttgart und Deutsche Bahn zeigt aber auch, dass sich öffentliche Unternehmen unter Wettbewerbsdruck kaum noch von privaten unterscheiden. Warum also nicht die Lehren aus dem kurzen Sommer der Anarchie ziehen?

Rekommunalisierung als bloße Verstaatlichung, das zeigt das Beispiel Mainzer Straße, wäre alte Planwirtschaft in neuen Schläuchen. Eine erfolgreiche und transparente Bewirtschaftung unter Beteiligung der Verbraucher hingegen wäre ein riesiger Schritt nach vorne. Das gilt für die Bahn ebenso wie für Stadtwerke und Wohnungsunternehmen.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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