"Tatort" mit Richy Müller und Felix Klare: Der Bulle mit Undercover-Vergangenheit

Eine Urkrainerin liegt tot am Seeufer. Die Stuttgarter Tatort-Kommissare Lannert und Bootz ermitteln im Flüchtlingsmilieu. "Tatort: Die Unsichtbare" (Sonntag 20.15 Uhr, ARD).

Kommissar Thorsten Lannert hat sich von dem 12jährigen Deniz übertölpeln lassen. Bild: swr/stephanie schweigert

HAMBURG taz | Als sie stirbt, wird sie endlich sichtbar. Da liegt die Leiche der Ukrainerin am verschneiten Bärenseeufer; vor dem Ableben wurde das Opfer mit einem Elektroschockgerät traktiert, danach erwürgt. Die Frau lebte ohne gültige Papiere in Stuttgart und lässt nun zwei Kinder zurück, die sich aus Angst vor den Behörden verstecken.

Kommissar Lannert (Richy Müller) nimmt die Spur auf – und unterschätzt die in der Illegalität antrainierten Selbstschutzfähigkeiten der Kleinen: In der besten Szene sieht man den Ermittler in einer Telefonzelle, in die er vom zwölfjährigen Flüchtling durch einen Trick eingesperrt wurde.

Zur Rettung ruft er den Kollegen Bootz (Felix Klare) herbei, der dann mit dem Handy einen schönen Erinnerungsschnappschuss vom gelinkten Kollegen macht. Der Bulle mit Undercoververgangenheit – er ist längst nicht einem Jungen aus der Illegalität gewachsen.

Für die beiden Polizisten beginnt nun eine Odyssee durch die Parallelwelt ohne Aufenthaltsgenehmigung in Stuttgart lebender Flüchtlinge, vom Ausländeramt über eine Bar, wo sich Frauen aus dem Osten reichen Schwaben andienen, bis zu einer dubiosen Wäscherei am Stadtrand. An den meisten Orten treffen sie auf einen ganz bestimmten Menschenschlag: Deutsche, die hinter der Fassade der Mildtätigkeit perfide Ausbeutung betreiben.

Bei ihren Ermittlungen, bei der sie sich manchmal selbst an der Grenze zur Illegalität bewegen, weil sie ihre Informanten nicht preisgeben wollen, kriegen Bootz und Lannert Rückendeckung von der strengen Staatsanwältin Emilia Alvarez – eine interessante öffentlich-rechtliche Intertextualität übrigens: Denn die ARD-Juristindarstellerin Carolina Vera Squella, selbst gebürtige Chilenin, durchlebte unlängst in der Rolle einer südamerikanischen Flüchtlingsmutter in dem ZDF-Migrantendrama „Schutzlos“ die Ausbeutung in der Illegalität. Der Film wird am Sonntag übrigens zeitgleich auf 3sat als Kandidat in dem „Zuschauerpreis“-Wettbewerb des Senders gezeigt.

Gegen das schlichte, aber wirkungsvolle ZDF-Lehrstück, das rigoros aus der Perspektive der rechtlosen Frau erzählt wird, kommt dieser gut gemeinte „Tatort“(Regie: Johannes Grieser, Buch: Eva und Volker A. Zahn) dann auch nicht wirklich an. Immer wieder verzettelt er sich in der Präsentation möglicher Verdächtiger und springt dann in der Handlung zu den jungen ukrainischen Waisen, die im Kinderkrimi-Modus Reißaus vor ihren Verfolgern nehmen.

Ganz verkehrt ist „Die Unsichtbare“ trotzdem nicht. Mal abgesehen davon, dass es durchaus eine reelle Sache ist, auf dem populärsten Sendeplatz des deutschen Fernsehens die Widersinnigkeiten des hiesigen Ausländerrechts aufzuzeigen, gibt es in den besseren Momenten ein paar böse Spiegelungen zwischen dem Kulturkampf der „Legalen“ und den Überlebenskampf der „Illegalen“: In der Schule der beiden untergetauchten Kinder trifft Kommissar Bootz auf jenen Direktor, der Bootz’ zehnjährige Tochter auf die Realschule schicken will, obwohl der Cop sie doch auf dem Gymnasium sieht. Die Abstiegsängste des Deutschen, sie wirken vor den Abschiebeängsten der Ukrainer einfach nur mickrig.

„Tatort: Die Unsichtbare“, Sonntag, den 14.11.2010 um 20.15 Uhr, ARD

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.