Benedikt XVI. besucht Spanien: Zu Besuch bei den Ungläubigen

Der Papst besucht Spanien. Doch das einst so katholische Land kehrt dem christlichen Glauben den Rücken. Nur noch 29 Prozent der Menschen sehen sich als praktizierende Christen.

Benedikt XVI. am Mittwoch bei der Generalaudienz im Vatikan. Am Wochenende besucht er Spanien. Bild: dpa

Wenn Papst Benedikt XVI. am Wochenende ins spanische Santiago de Compostela zum Grab des Apostels Jakob pilgert, um am Tag darauf das Wahrzeichen Barcelonas, die ewige Baustelle der Kirche La Sagrada Família von Architekt Antoni Gaudí, zur Basilika weiht, kommt er nicht mehr in die "geistige Reserve des Okzidents", wie Spaniens Rechte und die katholische Kirche das Land auch nach dem Tod von Diktator Franco gern nannten. Er besucht eine moderne Gesellschaft, die der Kirche immer mehr den Rücken zeigt.

Die Messen werden vielerorts vor leeren Kirchen gelesen. Meist kommen nur noch die Älteren zum Gottesdienst. Die Zahlen des staatliche Meinungsforschungsinstitut (CIS) sprechen für sich. Nur noch 73 Prozent der Spanier bekennen sich zur katholischen Religion. Und nur 29 Prozent sehen sich selbst als praktizierende Christen. Dies ist eine erstaunliche Quote in einem Land, in dem die Katholiken immer noch offiziell einen Bevölkerungsanteil von 94 Prozent stellen, denn die meisten Spanier sind getauft.

Unter den jungen Menschen verliert die Kirche am schnellsten an Anhängern. Die Hälfte aller jungen Spanier definieren sich laut staatlichem Meinungsforschungsinstitut nicht mehr als katholisch. Vor 18 Jahren bekannten sich dagegen noch 82 Prozent zum katholischen Glauben.

Auch der Religionsunterricht erfreut sich immer geringerer Beliebtheit. Über alle Altersstufen hinweg besuchen ihn laut einer Studie der katholischen Kirche im Schnitt nur noch 77 Prozent der SchülerInnen. Je älter die SchülerInnen, umso geringer fällt die Beteiligung aus. Was die Statistik schönt, sind Privatschulen. Im Landesschnitt stellen sie 28 Prozent, in Madrid mehr als die Hälfte der Schulen. Viele von ihnen sind religiös orientiert. Der Religionsunterricht ist Pflicht. Die Bischöfe berichten stolz von einer 99,5-prozentigen Teilnahme am Religionsunterricht.

Doch wer die Schule verlässt, vergisst das dort Gelernte offensichtlich schnell wieder. Selbst bei so wichtigen Ereignissen wie der Hochzeit spielt die Kirche mittlerweile für mehr als die Hälfte der SpanierInnen keine Rolle mehr. 2009 gaben sich erstmals mehr Paare das Jawort auf dem Standesamt als vor dem Altar.

Seit der Sozialist José Luis Ródriguez Zapatero 2004 an die Regierung kam, hat die katholische Kirche gleich mehrere Niederlagen einstecken müssen. So wurden trotz massiver Proteste und Großdemonstrationen die Homoehe und die Abtreibung legalisiert.

Doch vielen Kirchenkritikern gehen diese politischen Entscheidungen nicht weit genug. "Die Regierung hat nicht einmal versucht, die Verträge mit dem Vatikan, die seit mehr als 30 Jahren bestehen, zu reformieren", beschwert sich der Basistheologe und Universitätsprofessor Juan José Tamayo. "Die katholische Kirche hat dadurch weiterhin wirtschaftliche, soziale und steuerrechtliche Privilegien." Sie ist im Schul- und Gesundheitssystem mit Einrichtungen vertreten. Der Staat treibt die Kirchensteuer ein und finanziert die Kirche darüber hinaus direkt. Ein Religionsgesetz, das all dies ändern soll, hat Zapatero versprochen, doch bisher nicht umgesetzt. Im Vorfeld des Papstbesuchs kam es deshalb überall im Lande zu Kundgebungen. "Für eine echte Trennung von Kirche und Staat", lautet die Forderung.

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