Kahlschlag auf dem Stundenplan

Neuntklässler in Düsseldorf engagieren sich so gegen die Abholzung finnischer Urwälder, dass sie Besuch bekommen – vom Papierhersteller Stora Enso

„Stora Enso hätte uns die Wahrheit über die Herkunft des Holzes sagen müssen“

AUS DÜSSELDORF GESA SCHÖLGENS

Man sollte meinen, dass sich Neuntklässler nicht für globale Holzwirtschaft interessieren. Bei den SchülerInnen der Joseph-Beuys-Gesamtschule in Düsseldorf jedoch ist das anders. Ihnen liegt der Schutz der bedrohten finnischen Urwälder sehr am Herzen. Und ihnen gelang das, wovon manch ein Umweltschützer nur träumt: dass der Gegner Rede und Antwort steht. Im Falle der Düsseldorfer Klasse war das der Sprecher des Papierherstellers Stora Enso.

Alles hatte im Juni mit einer Besichtigung der Stora-Enso-Fabrik in Düsseldorf-Reisholz begonnen. Ein Schüler wollte wissen, woher das Holz für die Papierherstellung kommt. Die Antwort: aus Deutschland. Und: für jeden gefällten Baum würden zwei neue angepflanzt.

So weit, so gut, wäre nicht im August ein Artikel in der taz erschienen. Darin hieß es, dass Stora Enso Holz aus nordfinnischen Urwäldern bezieht. Der Kahlschlag gefährde die Existenz der einheimischen Rentierzüchter, der Sami. Mit den Bäumen verschwänden nämlich die Flechten, eine wichtige Nahrung der Rentiere. „Die Empörung bei den Schülern war groß“, erzählt Klassenlehrer Reinhold Weber. „Sie fühlten sich belogen“.

Zwanzig SchülerInnen gründeten daraufhin ein Aktionsbündnis, das sich regelmäßig außerhalb des Unterrichts trifft. Sie schrieben Mails an den taz-Korrespondenten in Skandinavien, Reinhard Wolff, an Greenpeace sowie an Stora Enso, und baten um Aufklärung und Info-Material. „Das Bündnis war auch zu Protest-Aktionen bereit“, sagt Weber.

Zu Aktionen kam es aber nicht mehr, da die Abholzung von der finnischen Regierung inzwischen größtenteils eingestellt wurde. Die UN-Menschenrechtskommission hatte sich für die Sami eingesetzt. Eine Diskussion mit dem Unternehmen wollte sich die Klasse aber nicht nehmen lassen. Also stattete Stora-Enso-Sprecher Jussi Koch ihr einen Besuch ab.

Der Empfang war frostig: Ein Schüler bezeichnete Koch sogar als Lügner. „Warum haben Sie uns nicht gesagt, dass Sie Holz aus Finnland bekommen?“, wollte die Klasse wissen. Der Unternehmenssprecher wehrte sich gegen die Attacken: „Ich war bei der Betriebsbesichtigung nicht dabei. Unser Rohholz stammt aber wirklich aus Deutschland“, sagte Koch. „Überprüfen Sie das?“ – „Ja, das steht auf den Lieferscheinen.“ Für die Papierherstellung wird jedoch auch Zellstoff benötigt, der aus Holz gewonnen wird. Der Zellstoff, räumte Koch ein, komme aus Schweden und Finnland. Und dafür werden finnische Urwälder abgeholzt – besser gesagt, wurden. Denn die staatliche Forstgesellschaft Metsähallitus hat die Lieferung aus „kritischen Gebieten“ inzwischen eingestellt. Der Holzeinschlag in den Urwäldern gehe aber dennoch weiter, wenn auch nur für die lokalen Sägewerke. Stora Enso beziehe nun aus anderen Landesteilen Holz.

Mit Greenpeace hatte der Papierhersteller dennoch Ärger: Die Umweltaktivisten blockierten Anfang November im Lübecker Hafen einen Frachter mit Stora-Enso-Papier, „obwohl ich Greenpeace darüber informiert hatte, dass wir kein Holz mehr aus den Urwäldern bekommen“, so Koch. Der Konflikt sei nun wenigstens nur noch ein lokaler Streit zwischen den Sägewerk-Betreibern und den Sami.

„Haben Sie darüber gar nicht nachgedacht, was aus der Urbevölkerung und den Wäldern wird?“, wollten die SchülerInnen wissen. Koch entgegnete, von einem ökologischen Problem könne kaum die Rede sein. Immerhin stünden 40 Prozent des Waldes unter Naturschutz. „Das ist aber nicht viel“, meinte ein Schüler. „Doch, das ist viel, das sagen auch Umweltschützer vom finnischen World Wildlife Fund!“, erwiderte Koch. Außerdem müssten die Arbeiter im Sägewerk ja auch leben – würden die Werke schließen, sei ihre Existenz ebenfalls bedroht.

Zum Schluss präsentierte Koch den SchülerInnen noch ein Diagramm, das steigende Rentier-Bestände und sinkenden Holzeinschlag zeigte. Die Rentiere richteten in den Wäldern großen Schaden an. Die Klasse war dennoch nicht völlig zufrieden. „Wir finden es zwar gut, dass er da war. Aber man hätte uns vorher die Wahrheit über die Herkunft des Holzes sagen müssen“, sagte eine Schülerin. Schließlich habe die Firma auch nicht verschwiegen, dass sie „Papierhersteller Nummer eins“ sei.

Jussi Koch lobte dagegen, dass sich die Klasse mit dem Thema auseinander gesetzt hat: „Ich hoffe, jeder bildet sich eine eigene Meinung.“ Am Tag nach seinem Besuch hat die Klasse abgestimmt, ob Koch glaubwürdig war. Nur ein Viertel der SchülerInnen hielt ihn für überzeugend. Die Aktionsgruppe will weitermachen.