Affäre um Bundestagswahlkampf 2002: Stoiber-Beratung aus Steuergeldern

Nicht nur für die Landespolitik, auch für die Kanzlerkandidatur Edmund Stoibers beauftragte die bayrische Staatskanzlei Umfragen. Wahlkampf aus Steuermitteln?

Der bayrische SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher zeigt das umstrittene Dokument Bild: dapd

Edmund Stoibers gefühlte Amtszeit als Bundeskanzler dauerte nur Minuten. Am 22. September 2002 um kurz vor 19 Uhr ließ er sich in Berlin als Sieger der Bundestagswahl feiern. Die Ursache für seinen vermeintlichen Erfolg hatte er auch schon ausgemacht: "Wir haben genau auf die richtigen Themen gesetzt." Wenige Minuten später zog die SPD-Grünen-Koalition in Stimmen an Stoibers Bündnis vorbei. Stoibers Kanzlertraum war geplatzt.

Doch sein Bundestagswahlkampf steht nun acht Jahre später im Zentrum einer spektakulären CSU-Affäre. Die SPD hat am Montag die wahrscheinliche Quelle für Stoibers Wahlkampfthemen und -strategien veröffentlicht: eine Umfrage der bayerischen Staatskanzlei, finanziert mit 137.538 Euro Steuergeld.

"Das ist ein schamloser Raubbau am Steuerzahler", sagt der Chef der Landtags-SPD, Markus Rinderspacher. Die bayerische Staatskanzlei habe als "Wahlkampfzentrale der Union" fungiert. Das sei der "systematische Missbrauch von Steuergeldern zugunsten der CSU", so Rinderspacher.

Die Unterlagen sind laut SPD an den Bundestagspräsidenten und den Rechnungshof weitergeleitet. Sollte der Bundestagspräsident den Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung bestätigt sehen, drohen der CSU Strafzahlungen von bis zu 620.000 Euro.

Die bayerische Regierung hat seit 2002 für insgesamt 310.000 Euro sechs große Meinungsumfragen, sogenannte Resonanzstudien, in Auftrag gegeben. Offiziell, um ein Meinungsbild der Bevölkerung zu aktuellen Projekten der Regierung einzuholen. Die nun ans Licht gekommenen drei Umfragen aus der Stoiber-Zeit tun das nicht.

Im Januar 2002 ließ sich Kanzlerkandidat Stoiber auf 125 Seiten Tipps für den Bundestagswahlkampf geben. Fragen zur Landespolitik finden sich in dem Papier kaum, dafür seitenlange Erhebungen zu bundespolitischen Themen, das Ergebnis jeweils penibel aufgelistet nach Parteipräferenz der Befragten. 13 Seiten lang analysieren die Forscher im Regierungsauftrag das Wählerpotential der für die CSU damals potentiell gefährlichen Schill-Partei.

Am Ende der Studie gibt es gar konkrete Empfehlungen für den Wahlkampf. "Bei der kommenden Bundestagswahl wird es nicht ein alle anderen Themenbereiche dominierendes Sachthema geben", heißt es auf Seite 123, man solle über die Bündelung der Aufgaben unter einem Dachthema nachdenken. Und weiter unten: "Die Steuerpolitik der Bundesregierung kann problemlos als ungerecht und sozial unausgewogen angegriffen werden."

Staatskanzleiminister Siegfried Schneider (CSU) verteidigte am Montag die Studie. Bundespolitische Fragestellungen seien nötig, weil Bayern im Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt sei. Die Empfehlungen in den Studien seien ohne Rücksprache mit der Staatskanzlei entstanden, schreibt Schneider auf eine Oppositionsanfrage.

SPD-Politiker Rinderspacher kontert: Die Regierung habe jahrelang Zeit gehabt, die Empfehlungen zu stoppen, habe das aber nicht getan. Seine Schlussfolgerung: "Offensichtlich waren die Empfehlungen Teil des Auftrags."

Auch wenn Edmund Stoiber 2002 die Bundestagswahl verlor, holte er ein Jahr darauf bei der bayerischen Landtagswahl die Zweidrittelmehrheit. Hilfe bekam er von einer Studie der Staatskanzlei. Die "Ausgangslage der CSU" sei "hervorragend", heißt es dort. Unter Beachtung der Tipps der Forscher könne sie "weiter gestützt werden".

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