Gewerkschafter über WM in Südafrika: "Ein nachhaltiger Fehlschlag"

Gewerkschaftsfunktionär Eddie Cottle meint: Der Fifa bleibt nach der Fußball-WM ein Milliardengewinn, dem Gastgeberland der Titelkämpfe dagegen ein Millionenverlust.

Gehört nicht zu den Gewinnern: Arbeiter im Stadion von Johannesburg. Bild: ap

taz: Herr Cottle, wer ist der Gewinner, wer ist der Verlierer der Fußball-WM in Südafrika?

Eddi Cottle: Die Rollen in diesem großen Spiel waren von Anfang an klar verteilt: Der Gewinner ist mal wieder die Fifa. Der Verlierer der südafrikanische Staat und seine knapp 50 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Für sie war die WM ein nachhaltiger Fehlschlag.

Wie kommen Sie zu diesem Ergebnis?

Nach unseren Untersuchungen hat der einmonatige Trip an das Kap der Guten Hoffnung der Fifa rund 2,5 Milliarden Euro in die Kassen gespielt. Diese Zahl haben wir in Zürich öffentlich gemacht, und sie wurde bis heute von der Fifa nicht dementiert. Auf der anderen Seite sind Südafrika von der WM nicht viel mehr als Schulden geblieben, rund 500 Millionen Euro. Kein Wunder, hat die WM doch statt der prognostizierten 1,75 Milliarden der Nation 4,2 Milliarden gekostet.

War das nicht alles vorhersehbar?

Unserer Meinung ja, und wir haben schon früh darauf hingewiesen. Die Fifa jedoch hat mit zum Teil irrwitzigen ökonomischen Versprechungen und falschen Schätzungen den südafrikanischen Staat regelrecht an der Nase herumgeführt. Das hat Methode. Die Fifa hat dem Gastland dicke Gewinne versprochen, den Menschen langfristige Arbeit und dem Fußball in Südafrika eine neue Perspektive. Wer kann da noch Nein sagen. Doch nichts davon ist eingetroffen. Der sogenannte wirtschaftliche Triple-down-Effekt verdunstete, noch ehe die ersten Tropfen gelandet waren.

Manche meinen, der südafrikanische Staat wurde von der Fifa erpresst.

Eddie Cottle, 42, ist der Koordinator der internationalen Gewerkschaftsbewegung der Bauarbeiter und ist ein profilierter WM-Kritiker. Er wohnt in Kapstadt.

Für bestimmte Sektoren trifft das zu. Die Fifa hat der südafrikanische Regierung siebzig Garantien abgerungen. Eine davon war, dass die Fifa ihre Gewinne in Südafrika nicht versteuern muss. Das gab es noch bei keiner WM zuvor! In unserem Bericht meint der Sprecher der südafrikanischen Steuerbehörde, Adrian Lackay: "Die Privilegien und Konzessionen, die wir der Fifa zugestehen mussten, waren zu hoch und zu erdrückend, als dass für uns ein monetärer Gewinn hätte entstehen können." In Südafrika herrschten zur WM Fifa-Gesetze, keine anderen!

Wer hat neben der Fifa noch von der WM profitiert?

Wie immer zu einem solchen Event einige große Sponsoren. Dazu fünf Baukonzerne, die von der Fifa nachdrücklich ins Spiel gebracht wurden, um die Stadien zu bauen. Einige wenige Architekturbüros, darunter das deutsche Büro Gerkan, Marg und Partner, sind ebenfalls mit einem dicken Plus aus der WM herausgekommen.

Vor allem auf Kosten der Bauarbeiter, wie man vermutet.

Zu Recht. Die Gewinne im Bausektor waren vor allem so hoch, weil die Lohnkosten so niedrig waren. Erst nach einigem Druck der Weltöffentlichkeit und wilden Streiks der Bauarbeiter vor Ort wurde der Stundenlohn schließlich auf 1,90 Euro pro Stunde angehoben.

Was ist mit all den neu gebauten Stadien passiert?

Vier der zehn neu gebauten Arenen, die in Polokwane, Nelspruit, Durban und Kapstadt, stehen leer und verfallen. Das kann jeder sehen. Diese Luxusarenen sind die Symbole einer gigantischen und wissentlichen WM-Fehlplanung. Schon lange vor der WM hatte der südafrikanische Fußballverband (Safa) auf das Nachnutzungsproblem hingewiesen. Die Safa musste sich jedoch dem Druck der Fifa und der südafrikanischen Regierung beugen.

Wie ist die Stimmung in Südafrika bei diesen Zuständen?

Weil man die Stadien einfach nicht kostendeckend betreiben kann, fordern jetzt immer mehr ihren Abriss. Die Regierung schweigt sich aus. Die Bevölkerung ist von der WM mittlerweile maßlos enttäuscht. Die Zahl der Arbeitsplätze ist jetzt rasant gefallen, die Beschäftigungsquote hat um 4,7 Prozent abgenommen. Im Baugewerbe sind 110.000 Jobs verloren gegangen. Die Schere zwischen arm und reich hat sich durch die WM in Südafrika weiter geöffnet.

Das wird in Brasilien 2014 kaum anders sein.

Auf dem Platz von Fair Play reden und außerhalb die Blutgrätsche ansetzen, das ist die WM-Politik des Fußballkonzerns. Das wird in Brasilien nicht anders sein als in Südafrika. In Brasilien müssen zwar weniger Stadien neu gebaut, dafür aber alle gründlich renoviert werden.

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