Kommentar Drogenkrieg in Mexiko: Ein Boss ist nicht genug

Mexikos Polizei hat einen der meist gesuchten Drogenbosse des Landes verhaftet. Doch das reicht im eskalierenden Drogenkrieg nicht aus.

Mexikos Polizei hat einen der meistgesuchten Drogenbosse des Landes verhaftet. Das müsste eine gute Nachricht sein. Doch im eskalierenden Drogenkrieg Mexikos hält sie bestenfalls einen Nachmittag vor. Denn die Drogenkartelle haben sich in ihrer Struktur und ihren Geldflüssen längst modernen Wirtschafts- oder Finanzunternehmen angenähert, sie ähneln kaum noch früheren, patriarchalisch organisierten Mafiaclans. Innerhalb dieser Kartelle aber ist jeder zu ersetzen. Schon bald wird also ein Neuer an die Stelle von Edgar Valdez Villareal gerückt sein.

Das Geschäft mit den Drogen ist in ganz Mittelamerika ein zentrales Problem - nicht nur wegen der ausufernden Gewalt, die allein in Mexiko täglich mehrere dutzend Tote fordert. In manchen Ländern, allen voran El Salvador und Guatemala, haben sich Narcos und traditionelle Machtelite längst zu einer Regentschaft aus Gewalt und Korruption verbündet, die weder für Rechtsstaat noch Demokratie viel Raum lässt.

Die Linke hat das Drogenproblem lange unterschätzt: Sie sah darin bloß einen Vorwand, Militäreinsätze der USA zu rechtfertigen. Doch wo Drogenmillionen mehr bewirken als staatliche Etats und alles zivilgesellschaftliche Engagement zusammen, da ist eine demokratische Entwicklung unmöglich.

Am Mittwoch, den 1. September, stellt die langjährige taz-Korrespondentin Anne Huffschmid im taz-Café ihr neues Buch über Mexiko vor. Mit taz-Autor Wolf Dieter Vogel und dem mexikanischen Journalisten Yaotzin Botello wird sie über die brutale Eskalation des Drogenkriegs in Ciudad Juárez reden - aber auch über die erstaunliche Megametropole Mexiko-Stadt. Mittwoch, 1. September 2010, 20 Uhr, tazcafé, Rudi-Dutschke-Straße. 23, Berlin Kreuzberg Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Rotpunktverlag Zürich Eintritt frei

Warum aber macht sich, wer sonst alles nur aus fairem Handel kauft, keine Gedanken darüber, unter welchen Bedingungen sein Haschisch oder Koks produziert wird? Drogenhandel vereint alles, was Kapitalismus in seiner brutalsten Form ausmacht: Profitgier, Skrupellosigkeit, Gewalt. Kampf gegen Drogenhandel ist daher auch ein Kampf für Demokratie.

Bloß: So wird er nicht geführt. Der mexikanische Einsatz des Militärs hat mehr zur Eskalation des Konflikts als zur Schwächung der Kartelle beigetragen. Die USA schicken jetzt zwar Drohnen an die Grenze, aber umfangreiche Präventivprogramme gegen den zunehmenden Drogenkonsum im eigenen Land fehlen weiter. Und die globale Finanzwelt gibt sich kaum Mühe, Drogengelder aus ihrem Geschäft herauszuhalten.

Eine komplette Legalisierung zumindest weicher Drogen würde einen Teil des Marktes trockenlegen. Sie wird in den USA und Europa aber - trotz wichtiger Fürsprecher aus Lateinamerika - nicht einmal in Erwägung gezogen. So ist der Kampf nicht zu gewinnen. Und ein verhafteter Capo ist dafür einfach zu wenig.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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