Gentech-Gegnerin über Frankreichs Justiz: "In drei Prozessen gab es Freisprüche"

Französische Richter steckten Zerstörer von Gentech-Pflanzen bewusst nicht ins Gefängnis, sagt die Aktivistin Franciska Soler. Man wolle keine Stars unter den Feldbefreiern schaffen.

Wer zerstören will, wird abgeführt: Polizisten entfernen in der Nähe von Strausberg einen Gentech-Gegner von einem Getreidefeld. Bild: dpa

taz: Frau Soler, anders als in Deutschland ist in Frankreich noch nie ein Aktivist im Gefängnis gelandet, weil er ein Gentech-Feld zerstört hatte. Wie machen Sie das?

Franciska Soler: Die französische Justiz will verhindern, dass Feldbefreier Stars werden. Die Prozesse stehen noch stärker im Interesse der Öffentlichkeit als in Deutschland, weil wir in großen Gruppen angeklagt werden. Einmal standen gleich 49 Leute vor Gericht. Einer unserer Mitstreiter ist der prominente Bauerngewerkschafter José Bové, der wegen der Zerstörung einer McDonalds-Filiale kurz in Haft war. Aus diesen Gründen wird immer wieder sogar in den nationalen Fernsehnachrichten über uns berichtet.

Aber verurteilt werden Sie trotzdem, oder?

FRANCISKA SOLER, 52, ist Aktivistin in Frankreichs Feldzerstörer-Bewegung Faucheur volontaire d'OGM.

Gentech-Gegner aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben gegen den bundesweit einzigen Anbau der Kartoffel Amflora in Mecklenburg-Vorpommern demonstriert. Der Agrarminister des Bundeslands, Till Backhaus (SPD), forderte bei der Protestveranstaltung am Freitag in Zepkow nahe dem Anbaugebiet von der Bundesregierung, die gentechnisch veränderte Pflanze zu verbieten. 20 Aktivisten der "Europäischen Feldbefreiungsbewegung" wurden auf dem Weg zu dem Acker von Polizisten gestoppt. (jma)

In drei Prozessen gab es Freisprüche. Die Richter begründeten das damit, dass wir eine Gefahr für das Allgemeinwohl abwenden wollten und alle anderen Mittel ausgeschöpft hatten. Wir hatten zum Beispiel mit Politikern gesprochen, aber die stehen unter Druck der Lobbyisten der Gentech-Industrie. Vor dem Berufungsgericht haben wir dann verloren. Es gab Bewährungs- und Geldstrafen.

Wie sehen Ihre Aktionen denn genau aus?

Wir haben seit 2004 etwa 30 Felder befreit, also die genmanipulierten Pflanzen unschädlich gemacht. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb schätzungsweise 300 bis 400 Leute angeklagt. Wie unsere Freunde in Deutschland wenden wir keine Gewalt gegen Menschen an und verstecken uns nicht vor der Justiz. Dreimal haben wir Häfen blockiert, über die Gentech-Soja und -Mais aus Südamerika als Viehfutter importiert werden.

Was haben Sie damit erreicht?

Nach einer Hafenblockade haben wir ein Gespräch mit Beamten des französischen Umweltministeriums bekommen. Das hat dazu beigetragen, dass die Regierung später den kommerziellen Anbau einer Maissorte des US-Konzerns Monsanto in Frankreich verboten hat. Vor Kurzem haben wir Rebstöcke eines Versuchsanbaus zerstört. Jetzt gibt es bei uns nur noch einen Freisetzungsversuch und keinen Anbau zu wirtschaftlichen Zwecken.

Sie haben gemeinsam mit britischen und deutschen Aktivisten die "Europäische Feldbefreiungsbewegung" (EFLM) ausgerufen. Warum gerade jetzt?

Die neue EU-Kommission wird in den nächsten Monaten großen Druck ausüben, um viele weitere Gentech-Pflanzen zuzulassen. Den Widerstand der Bevölkerung in Europa will sie aufsplittern, indem jeder EU-Staat selbst entscheiden darf, ob das Saatgut auf seinem Gebiet benutzt werden darf. Mit der EFLM wollen wir zeigen, dass wir gemeinsam Widerstand leisten werden. Wir werden uns nicht dazu zwingen lassen, Gentech-Nahrungsmittel zu essen.

Warum kämpfen Sie überhaupt gegen die Agro-Gentechnik?

In der Gentechnik kristallisieren sich viele Probleme, die unsere Gesellschaft hat: Es geht um die Umwelt, die Gesundheit, aber auch um wirtschaftlichen Einfluss. Mit Gentech-Pflanzen, die ja unter Patentschutz stehen, wollen große Chemiekonzerne ihre Macht über unsere Ernährung ausbauen. Unsere Zukunft muss aber eine lokale Wirtschaft mit regionalen Strukturen sein.

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