Kommentar Rente mit 67: Nur bei Vollbeschäftigung

Die Rente mit 67 ist richtig. Der demographische Wandel schreibt sie vor. Die Politik muss nur für genügend Arbeitsplätze für ältere Menschen sorgen.

Die Rente mit 67 ist richtig. Denn die deutsche Gesellschaft ist mit zwei demografischen Entwicklungen konfrontiert, die sich nicht ignorieren lassen. Erstens leben die Menschen immer länger - und sie sind auch länger gesund. 1960 wurde die Rente bei den Männern durchschnittlich 9,6 Jahre ausgezahlt. Heute sind es über 15 Jahre. Zweitens wachsen immer weniger Junge nach, die diese Renten zahlen sollen.

Eine Voraussetzung muss allerdings erfüllt sein: Für die älteren Arbeitnehmer muss es normal bezahlte Stellen geben. Solange viele in die Arbeitslosigkeit abgeschoben werden oder nur Minijobs finden, ist die Rente mit 67 eine faktische Rentenkürzung.

Anders gesagt: Die Rente mit 67 darf erst eingeführt werden, wenn faktisch Vollbeschäftigung herrscht - also ab dem Jahr 2025. Wie das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) kürzlich berechnet hat, schrumpft das "Erwerbspersonenpotenzial" bis 2025 um 3,6 Millionen Menschen. Denn die Babyboomer verlassen den Arbeitsmarkt, während nur noch wenige Jugendliche nachdrängen. Dann werden alle gebraucht, auch die Älteren.

Die Frage ist also nicht, ob man die Rente mit 67 einführen sollte - sondern wann. Die jetzige Regelung ist völliger Unsinn, die schon ab 2012 das Rentenalter in kleinen Monatsschritten erhöhen will, wenn noch Millionen an Arbeitslosen unversorgt sind. Stattdessen sollte die Rente mit 67 auf das Jahr 2020 verschoben werden, wenn für die älteren Arbeitnehmer realistische Chancen bestehen, dass sie in ihrem Beruf verbleiben können.

Die SPD hat diese Diskussion begonnen. Allerdings ist ihr Kriterium irrwitzig: Sie will die Rente mit 67 einführen, wenn 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Und was ist mit den anderen 50 Prozent?

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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