Schwarz-Grün und "Stuttgart 21": "Wir wollen regieren"

Tübingens Bürgermeister Palmer (Grüne) gibt Schwarz-Grün in Baden-Württemberg eine Chance - falls die CDU "Stuttgart 21" und den verlängerten Atomausstieg aufgibt.

"Erhebliche finanzielle Risiken": Handout der Bahn mit Computerbild von "Stuttgart 21". Bild: dpa

taz: Herr Palmer, Sie und die Grünen wollen das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 noch stoppen. Wie soll das gehen?

Boris Palmer: Bei Stuttgart 21 gibt es immer noch erhebliche finanzielle Risiken. Wenn die bis zum Beginn der Tunnelarbeiten weiter vertuscht werden, können wir nichts machen. Falls man die Karten auf den Tisch legt und endlich von 10 bis 11 Milliarden Euro Gesamtkosten spricht, würde jeder sehen, dass es das Geld nicht wert ist.

Und wenn das nicht geschieht?

38, wurde 2006 mit absoluter Mehrheit zum ersten grünen Oberbürgermeister von Tübingen gewählt. Auf seiner Agenda standen u. a. neue Energiekonzepte sowie die Schaffung garantierter Betreuungsplätze für Kinder ab einem Jahr. Er gilt als aufgeschlossen und pragmatisch.

Dann droht uns eine schwere Spaltung und Konfrontation in Stuttgart. Die Befürworter sind formal im Recht und haben die Parlamentsbeschlüsse auf ihrer Seite, die Gegner die Mehrheit der Bevölkerung. Da muss man ins Gespräch kommen. Inhaltlich wäre das möglich. Ich setze auf eine Friedenskonferenz mit einem erfahrenen Schlichter.

Die Landesregierung sagt doch ganz klar: Über Alternativen zu Stuttgart 21 wird nicht geredet.

Eine solche Abrissbirnenpolitik ist falsch, wenn sich 20.000 Menschen zum Schutz des Bahnhofs friedlich in der Innenstadt versammeln. Da sollte man als Politiker nicht alles als unabänderlich verkünden. Wir haben in letzter Zeit viel Propaganda gehört und wenig Fakten. Vieles ist nicht bekannt gewesen, als die Parlamente abgestimmt haben.

Welche Propaganda?

Dazu gehört das lächerliche Argument, Stuttgart werde vom internationalen Schienenverkehr abgekoppelt, wenn wir den Bahnhof nicht vergraben. Dazu gehört, dass die Renovierung des alten Bahnhofs genauso teuer sei, wie 30 Kilometer Tunnel mitten in einer Stadt zu bauen. Oder dass der neue Bahnhof leistungsfähig sei und der alte nicht. Es verhält sich genau umgekehrt, man kann es mit Gutachten belegen, die in den Ministerien unter Verschluss gehalten wurden.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus fordert auch mindestens 15 Jahre Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Macht er Schwarz-Grün so unmöglich?

Er macht sich selbst unmöglich. Was Mappus damit erreichen will, ist mir schleierhaft. Atomkraft ist hoch gefährlich, in der Bevölkerung extrem unpopulär und blockiert den Einstieg in die erneuerbaren Energien. Auch in der CDU gibt es viele, die erkannt haben, dass Atomkraft keine Zukunftsoption ist.

Müsste Mappus für eine schwarz-grüne Koalition nach der Landtagswahl 2011 weg?

Eine Koalition mit Mappus wäre mit den Inhalten, die er momentan propagiert, ganz sicher nicht möglich. Wir wollen aber keine generelle Ausschließeritis betreiben, sondern regieren.

Ihnen zuliebe wird er nicht zum Atomkraftgegner mutieren und Stuttgart 21 abblasen.

Er hat sich im Tonfall und im Habitus bereits verändert, früher war er wesentlich härter in den Attacken. Die Frage ist, ob er bis zur Wahl Kreide gefressen hat oder wirklich anders ist. Inhaltlich ist für uns unabdingbar, dass der Atomausstieg bleibt und wir bei den erneuerbaren Energien in die Offensive gehen. An Stuttgart 21 unverändert festzuhalten wäre für uns ein Knackpunkt, der den Einstieg in die Landesregierung verhindert.

Und wenn Atomausstieg und Stuttgart 21 nach der Wahl schon durch sind, dann regieren die Grünen komfortabel mit Mappus?

Das wäre nicht komfortabel, sondern höchst schmerzhaft, so wichtige Entscheidungen zu verlieren. Wenn es doch so sein sollte, müssten wir nach vorn schauen. Dann stellt sich vermutlich die Frage, was mit Mappus möglich ist. Das hoch ungerechte und selektive Schulsystem des Landes können wir nicht akzeptieren. Vielleicht gibt es aber auch Grün-Rot, die Umfragen sind da nicht weit auseinander.

Vielleicht noch die FDP oder die Linkspartei mit ins Boot holen?

Für eine neue Wirtschaft braucht man auch die Unterstützung der Wirtschaft. Die gibt es mit der CDU wesentlich leichter als mit der SPD, selbst wenn die Politik dahinter inhaltlich die gleiche ist. Aber natürlich bringt diese Unterstützung nichts, wenn die CDU keinen ökologischen Umbau will. Dann wäre Schwarz-Grün sinnlos.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.