Berliner Bankenskandal: Richter müssen nachrechnen

Das Bundesverfassungsgericht hebt das Urteil zum Berliner Bankenskandal auf: Bei einer Verurteilung wegen Untreue müsse der Schaden konkret berechnet werden.

Ganz in Schwarz: Klaus-Rüdiger Landowsky. Bild: ap

Der Prozess gegen die Schlüsselfiguren im Berliner Bankenskandal muss neu aufgerollt werden: Das Bundesverfassungsgericht hob am Mittwoch das Urteil gegen Klaus-Rüdiger Landowsky und weitere Manager der Berlin Hyp auf. Die Richter monierten, dass der von den Angeklagten verursachte Schaden in den vorherigen Instanzen nicht konkret beziffert wurde.

Das Landgericht Berlin hatte Landowsky im März 2007 wegen Untreue zu einer Haftstrafe von 16 Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Karlsruher Richter bestätigten gleichzeitig Urteile gegen einen Siemens-Manager, der aus einer schwarzen Kasse sechs Millionen Euro Schmiergelder bezahlt hatte, und einen Krankenkassenmanager, der zwei Mitarbeitern unzulässige Prämien von jeweils 100.000 Euro gezahlt hatte. Karlsruhe beendete damit die Unsicherheit in der Frage, ob der Untreueparagraf des Strafgesetzbuchs mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Landowsky war bis zum Jahr 2001 Fraktionsvorsitzender der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus und gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der mehrheitlich landeseigenen Bank Berlin Hyp. Die Bank hatte in den Neunzigerjahren Kredite an den Immobilienkonzern Aubis vergeben, der mit dem Geld tausende Plattenbauwohnungen in Ostdeutschland zu überteuerten Preisen kaufte. Die Aubis-Geschäftsführer hatten zeitnah zur Kreditbewilligung 40.000 Mark an die CDU gespendet und das Geld bar an Landowsky übergeben.

Der Bankenskandal führte zum Niedergang der CDU in der Hauptstadt, die zuvor 20 Jahre lang fast durchgehend den regierenden Bürgermeister gestellt hatte. Die neue rot-rote Koalition unter Klaus Wowereit (SPD) musste die Bankgesellschaft als Mutterkonzern der Berlin Hyp mit staatlichen Milliardenhilfen vor der Pleite retten.

Kriterien für Untreue

Der Untreueparagraf bestimmt, dass eine Tat nur dann bestraft werden kann, wenn der Täter seine Pflichten verletzt hat und ein Schaden entstanden ist. Die erste Hürde war kein Problem: Landowsky hatte laut Landgericht bei der Vergabe eines Kredits an Aubis im Jahr 1996 gegen die Pflicht zur Bonitätsprüfung verstoßen, Chancen und Risiken nicht ordnungsgemäß abgewogen und den zuständigen Kreditausschuss der Bank umgangen. Beim Nachweis des Schadens hatte das Landgericht es sich dagegen leicht gemacht. Es stellte lediglich fest, es habe bereits bei Abschluss des Kreditvertrags eine "aufs Äußerste gesteigerte Verlustgefahr" gegeben, die Aussicht auf Rückzahlung der vollen Summe sei "höchst zweifelhaft" gewesen.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte zunächst: Man muss nicht endgültig abwarten, wie hoch der Schaden tatsächlich ist, bevor man einen Manager wegen Untreue verurteilen kann. Es reicht, wenn bereits bei Abschluss eines Vertrags absehbar ist, dass ein Verlust eintritt. Das Verfassungsgericht bekennt sich damit ausdrücklich zu einer weiten Auslegung des Untreueparagrafen, was die Strafverfolgung korrupter Manager erleichtert. Andererseits urteilte Karlsruhe: Es reicht nicht aus, dass ein Schaden höchstwahrscheinlich entsteht. Stattdessen muss dargelegt werden, wie hoch der mindestens eintretende Schaden konkret ist - das könne etwa ein Gutachter berechnen.

Das Landgericht Berlin wird damit keine Probleme haben, wenn es den Fall Landowsky neu aufrollt: Viele der von dem Kredit gekauften Wohnungen standen leer, es gab Wertberichtigungen, die Rückzahlung des Kredits wurde später eingestellt. Auch in vielen anderen Untreuefällen wird sich die Strafe nicht wesentlich ändern - die Verfahren werden nur etwas länger dauern, weil jetzt noch ein zusätzlicher Sachverständiger gehört werden muss. Für die Öffentlichkeit wird es dagegen deutlich interessanter: Sie wird in Zukunft bis auf den Cent genau erfahren, wie viel Geld ein verurteilter Manager veruntreut hat.

Aktenzeichen der drei Fälle: 2 BvR 2559/08 - 2 BvR 105/09 - 2 BvR 491/09

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