Tschechische Geheimagenten: Unfreiwillig enttarnt

Eigentlich sollte nur die Vergangenheit aufgearbeitet werden. Doch die veröffentlichte Liste der Spitzel des Geheimdienstes verrät auch Agenten nach 1990. Der Skandal ist groß.

Garantiert ohne Klarnamen: das Prager Schlüsseldenkmal als Erinnerung an die politische Wende 1990. Bild: dpa

Was als Schritt zur Vergangenheitsbewältigung geplant war, endete im Fettnäpfchen: Als das tschechische "Institut des Studiums totalitärer Regime" (Ustra, eine Art Gauck-Behörde) den militärischen Geheimdienst Anfang dieses Jahres um Mithilfe bat, reagierte dieser fast ungewöhnlich kooperativ.

Die Forscher des Ustra hatten zwecks Veröffentlichung um eine Liste von Geheimagenten gebeten, die vor dem Ende des Sozialismus in der Tschechoslowakei 1989 für die Armee gespitzelt hatten. Prompt übergab der Geheimdienst eine Liste mit 380 Namen, die sofort auf der Website der Ustra veröffentlicht wurden. Allerdings beinhaltete die Liste auch Namen von Agenten, die nach 1989 für den militärischen Geheimdienst arbeiteten. Versehen oder Absicht?

Ein Versehen, beteuern Geheimdienstler, Politiker und Historiker und versuchen, sich den schwarzen Peter gegenseitig zuzuschieben. "Ustra wurde schriftlich darauf aufmerksam gemacht, nur Daten zu veröffentlichen, die vor dem 15. 2. 1990 gesammelt wurden", sagt der Sprecher des tschechischen Verteidigungsministeriums, Jan Pejsek.

Eine peinliche Ausrede, meint der Exchef des Militärgeheimdienstes, Andor Sandor. Der Geheimdienst hätte die Agentenliste nicht in dieser Form aus der Hand geben dürfen. "Das Ganze ist eine Sauerei", schimpft Frantisek Masopust, bis 2002 tschechischer Diplomat in Moskau und auch auf der Schlapphut-Liste. "In einem normalen Staat darf so etwas nicht passieren." Masopust ist zwar kein aktiver Agent mehr. Als Präsident der "Kammer für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion" ist er nun dennoch kompromittiert.

Nun soll versucht werden, die ganze "Sauerei" unter den Teppich zu kehren. Ein Kommunikationsproblem, sagt Geheimdienstexperte und Ex-Innenminister Frantisek Bublan. Außerdem wurden keine aktiven Agenten verraten, beschwichtigt der Sicherheitschef des Militärgeheimdienstes, Stefan Bacinsky. Warum ein tschechischer Diplomat kurz nach Veröffentlichung der Liste von seinem Posten im mazedonischen Skopje abgezogen wurde und in der Versenkung verschwunden scheint, kann jedoch niemand beantworten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.