Virtuelles Shopping mit gutem Gewissen

START-UP Ein Kreuzberger Online-Unternehmen will mit Produkten aus fairem Handel den Internetkaufhäusern Konkurrenz machen. Dabei setzt es auf Überzeugungsarbeit

Statt Werbung soll es auf der Fairnopoly-Seite jeden Tag eine Anekdote über fair produzierte Waren oder eine gemeinnützige Organisation geben

VON NIKOLA ENDLICH

In einer Fabriketage am Kreuzberger Erkelenzdamm sitzt Felix Weth auf einer Treppenstufe und telefoniert. Der 33-Jährige mit dem lockigen Haar, dem blauen Halstuch und den abgetragenen Turnschuhen ist Gründer des Berliner Start-ups Fairnopoly.

Eigentlich wollte Weth gar kein Unternehmen gründen. Seine Idee war eine Kampagne zur Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen Korruption und für Transparenz einsetzen. Heute teilt er sich mit vier MitarbeiterInnen ein Büro in der Nähe der Admiralbrücke, insgesamt sind aber rund 20 Menschen am Projekt Fairnopoly aktiv beteiligt. Ihr Ziel: eine neuartige Handelsplattform im Netz aufzubauen, als faire Alternative zu konventionellen Online-Marktriesen wie Amazon, Ebay oder Zalando. Eine Crowdfunding-Kampagne, die 100.000 Euro für die Gründung des genossenschaftlich organisierten Unternehmens einbringen soll, läuft noch bis zum Ende des Monats. Bislang sind schon fast 70.000 Euro eingegangen.

Der ursprünglichen Idee, sich gegen illegale oder undurchsichtige Absprachen in der Wirtschaftswelt einzusetzen, ist der Unternehmensgründer Weth zwar treu geblieben, aber er hat es nicht dabei belassen. Neben dem Kampf gegen die schwarzen Schafe auf dem Markt soll nun im März ein Onlineunternehmen auf den Markt gehen, das sich die Förderung von verantwortungsvollem Konsum auf die Fahne geschrieben hat. Der Plan: durch niedrigschwellige Aufklärungsarbeit am Konsumbewusstsein der KundInnen rütteln.

Die Menschen abholen

Meist geht es bei Projekten alternativen Wirtschaftens darum, die eigenen Ideale so konsequent wie möglich durchzusetzen. Die Logik hinter Fairnopoly ist jedoch eine andere: Auf der Plattform sollen auch nicht faire Produkte gehandelt werden. Felix Weth betrachtet das als Chance, KundInnen zu sensibilisieren, die bisher beim Einkaufen nur selten oder punktuell zu fairen Produkten greifen: „Wir wollen Menschen da abholen, wo sie stehen. Und die Mehrzahl kauft eben leider nicht fair ein.“

Auf der Fairnopoly-Website soll künftig etwa „Die faire Geschichte des Tages“ zu verantwortungsvollem Konsumverhalten animieren. Anstelle von Werbung gibt es täglich eine kurze Anekdote über fair produzierte Waren oder eine gemeinnützige Organisation. Zudem wird gerade an der Umsetzung einer anderen Idee gearbeitet: Bevor ein ausgewählter nicht-fairer Artikel im Warenkorb landet, soll den NutzerInnen – wenn möglich – ein faires Produkt als Alternative angeboten werden.

Als „fair“ gelten bei Fairnopoly nur Waren mit Siegeln, die den Regeln der World Fair Trade Organisation (WFTO), von Transfair oder der anerkannten Weltladen-Handelspartner entsprechen. Bei diesen Produkten ist unter anderem garantiert, dass sie ohne Kinderarbeit und unter nachhaltiger Ressourcennutzung hergestellt wurden. Weil kleinere Anbieter oft auf die aufwändige Siegel-Zertifizierung verzichten, hat Fairnopoly ein Formular entwickelt, mit dem auch diese dokumentieren können, dass ihr Produkt zu fairen Bedingungen hergestellt wurde.

Ob dieses Modell tatsächlich ein Bewusstsein für verantwortungsvollen Konsum bei Menschen wecken kann, denen Fairness beim Einkauf bislang eher egal war, wird sich erst zeigen wenn das Onlineunternehmen unter Marktbedingungen agiert. Im vergangenen September hatte Fairnopoly allerdings schon einen Testdurchlauf in einem gänzlich nicht-virtuellen Raum: Auf einer Brache zwischen den U-Bahnhöfen Hallesches Tor und Prinzenstraße veranstalteten die Start-upper einen eintägigen Flohmarkt nach denselben Prinzipien, die auf dem Online-Marktplatz gelten sollen. Standbesitzer, die nachgewiesen faire Produkte verkauften, mussten zum Beispiel nur die Hälfte der üblichen 6 Prozent ihres Umsatzes als Gebühr entrichten.

„Bis jetzt haben wir viel positives Feedback für unsere Ideen bekommen“, sagt Felix Weth. „Und dadurch, dass wir eine Genossenschaft gegründet haben, können wir diese gemeinsam mit unseren NutzerInnen weiterentwickeln.“ Schon ab 50 Euro Anteil kann man in die Genossenschaft einsteigen.

Arbeitspunkte statt Gehalt

An Idealismus mangelt es den rund 20 MitarbeiterInnen von Fairnopoly sicher nicht. Schließlich finanziert sich das Unternehmen bislang nur durch das Ergebnis eines ersten Crowdfundings im vergangenen Herbst, bei dem gut 12.000 Euro zusammenkamen. Davon werden die Arbeitsplätze in dem Kreuzberger Büro bezahlt. Für Löhne bleibt aus diesem Topf nichts übrig. Anstelle eines Gehalts am Monatsende sammeln die MitarbeiterInnen deshalb „Arbeitspunkte“ – solange, bis das Ganze ins Rollen gekommen ist. Dann soll nicht nur einzig um der guten Sache willen gearbeitet werden, sondern das Punktekonto verrechnet und ein – fairer – Lohn ausgezahlt werden.

Zur Crowdfunding-Kampagne: http://fairnopoly.startnext.de