Kolumne Afrika Afrika: Drogbas gefühlter Sieg

Wenn die Elfenbeinküste gegen Brasilien verliert, ist in den Augen der Zuschauer in Abidjan vor allem der französische Schiedsrichter schuld. Am nächsten Tag dominiert Drogbas Ehrentreffer die Schlagzeilen.

Abidjan in der Regenzeit: Im Viertel "Zone 4" kann die Sonne drücken und die Luftfeuchtigkeit den Schweiß aus den Poren treiben, während es in Yopougon am anderen Ende der Stadt so stark regnet, dass der Autoverkehr lahmliegt. An der Schnellstraße zwischen diesen Quartieren liegt jeden Tag ein neuer Lastwagen im gleichen Schlammloch. Orange, Weiß und Grün dominieren die Sammelbusse. Straßenhändler verkaufen Trikots, Perücken, Pulswärmer und Vuvuzelas mit angehängter Nationalfahne.

Nach dem Unentschieden gegen Portugal stiegen die Preise für diese Fanartikel an, aber noch mehr stieg der Optimismus. Die Nachricht, dass Didier Drogba gegen Brasilien von Anfang an spielen werde, nährte Euphorie. In den Hintergrund traten Diskussionen über das Fehlen von Einheit der Mannschaft, die häufig stellvertretend sind für Diskussionen über den Regionalismus in diesem politisch zerstrittenen Land.

Neben dem unvollendeten Neubau des Markts von Yopougon hat ein Sponsor auf einem Platz Großleinwände aufgestellt. Der Platz ist vor dem Spiel gegen Brasilien voll. Vor den Fernsehern in Höfen und Hauseingängen sowie in den Maquis, Buvettes, Caves und wie die Abstufungen des gastronomischen Angebotes sonst noch heißen, versammelt man sich vor dem Spiel. Die berühmte Ausgehmeile Rue Princesse ist eher leer.

Daniel Kunzler ist Autor von "Fußball in Afrika: Hintergründe zu Elefanten, Leoparden und Löwen".

Während des Spiels hört man fast nichts, alle schauen gebannt zu, einige beten. Als das erste Tor für Brasilien fällt, ertönt ein kurzer Aufschrei der Verzweiflung. Dann herrscht Stille bis zur Halbzeitpause. Mit dem Pausenpfiff setzt Musik ein, es wird geredet und gehupt, beim Anpfiff der zweiten Halbzeit herrscht schlagartig wieder gebannte Stille. Das zweite Tor für Brasilien fällt. Erst langsam regt sich Widerspruch. Das war doch Handspiel? Nein, zwei! Man ist sich schnell einig, dass der lächelnde Schiedsrichter halt aus Frankreich kommt und die Franzosen ja nicht wollen, dass Afrika weiterkommt. Die Einwechslungen von Gervinho und Kader Keita, zwei beliebten Spielern, werden erfreut kommentiert.

Kurz nach dem dritten Tor von Brasilien setzt ein Platzregen ein. Die ersten Zuschauer gehen, der Regen hört auf, da fällt das Ehrentor für die Elfenbeinküste. Die Stimmung kippt erneut ins Positive, es wird Bier bestellt, und nach dem Abpfiff setzt auf der Rue Princesse die übliche Betriebsamkeit ein. Das Ehrentor wird gefeiert wie ein Sieg. Als erste afrikanische Mannschaft hat die Elfenbeinküste bei einer WM ein Tor gegen Brasilien geschossen! Radio Yopougon verkündet, man akzeptiere die 2:1-Niederlage, da der zweite der drei brasilianischen Treffer ja keiner war.

Didier Drogbas Ehrentreffer dominiert am nächsten Tag die Titelseiten der drei Sportzeitungen. Auffallend abwesend ist Präsident Laurent Gbagbo, als dessen Unterstützer Drogba gilt. Derzeit läuft Gbagbos Wahlkampf für Wahlen, deren Termin immer noch unklar ist: seit 2005 werden sie immer wieder verschoben. Einige Fans sagen, die Elfenbeinküste werde nie einen internationalen Titel gewinnen, solange Gbagbo Präsident bleibt.

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