Durch Amsterdam mit Amsterdamern: Aus Leidenschaft für die eigene Stad

Ein schlichter Gedanke, erfolgreich umgesetzt: Ein Internetreisebüro bietet thematische Stadterkundungen mit Einheimischen an.

Dabei sein- beispielsweise bei der Kunstaktion- wie ein Local Bild: dpa

Rote Haare, braune Stiefel, so hat Suzanne van Oirschot sich beschrieben. Sie schließt ihr Fahrrad ab und kommt ins Amsterdamer Café. Sie ist ein Local, der wie viele andere Touren durch die Stadt anbietet. Ihr Thema: Dutch Design. Suzanne van Oirschot ist Künstlerin, erzählt sie bei einem Glas Tee mit frischer Minze. Sie hat in Antwerpen, Maastricht und Amsterdam studiert, hat einen Master of Fine Arts und ist ausgebildete Goldschmiedin. In ihrer künstlerischen Arbeit bevorzugt sie Recycling-Material. Aus bedruckten alten Kuchendosen und Silber kreiert sie Schmuck, aus gebrauchten massiven Türen, die viel Patina haben, Anrichten. Sie zeigt Fotos ihrer Arbeiten, bevor sie durch die Stadt führt.

Niederländische Formgebung gilt als innovativ, kreativ, experimentell und genießt international ein sehr hohes Ansehen. „Design made in Holland hat oft einen speziellen Dreh und ist mit einem Schuss Humor gefertigt“, beurteilt Suzanne van Oirschot das kreative Schaffen ihrer Landsleute. Sie führt ihren Gast in den Laden des bekannten niederländischen Labels „Droog“ und weist auf Gegenstände hin, die trag- und brauchbar sind. Ein von innen beleuchtetes Männerhemd dient als Lampe. Der schneeweiße Sonnenschirm mit filigranem Muster wäre ein Schmuckstück in einem Garten.

Durch die engen Straßen der Altstadt von Amsterdam geht es von Designerladen zu Designerladen. Suzanne van Oirschot passt die Route gerne an die Wünsche des Besuchers an. Sie berücksichtigt Leidenschaften für Schuhe, Möbel, Lampen, Schmuck. Weil sie in Amsterdam zu Hause ist, erfahre ich en passant, wo es die beste selbst gemachte Schokolade der Stadt gibt und die virtuosen Öffnungszeiten eines bemerkenswerten Buchladens. Als wir das Geschäft von Marlies Dekkers passieren, weiß sie, dass die Lingerie-Designerin es mit ihrer Kollektion bis ins Museum geschafft hat.

Es sind die Details, die den Charme einer Dutch-Design-Tour ausmachen, denn an der Seite von Suzanne van Oirschot unterwegs zu sein ist ein wenig wie ausgehen mit einer Bekannten. Wir löffeln eine gute Suppe auf der Bank vor einem Suppenladen. Sie hat hier alle Suppen gekostet. Weiter geht es mit einem Abstecher ins Fotomuseum in eine Ausstellung.

„Wir verkaufen das besondere Erlebnis“, sagt Esther Weeber werbereif. Die 37-Jährige ist eine der drei Gründerinnen des Amsterdamer Internetreisebüros Like-a-local.com. In Weltstädten mit Einheimischen in Berührung kommen, an ihrer Seite eine Stadt erleben, das kann der Tourist hier buchen. Ein schlichter Gedanke, genau genommen, und sehr erfolgreich umgesetzt.

Wie sich der Enthusiasmus erhält

Ihr Geschäftskonzept generierten die drei Gründerinnen Esther Weeber, Marieke van Os und Mandy Mooren vor 2004 während gemeinsamer Reisen in europäische Städte. „Unsere Ausflüge waren immer dann bedeutungsvoll und eine schöne Erinnerung, wenn es gelang, Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen und Insidertipps zu erhalten. So lernt man eine Stadt ganz anders kennen“, berichtet Esther Weeber in ihrem Büro.

Begeistert erzählt sie, was die Freundinnen inspiriert hat. In Barcelona, zum Beispiel, mit Einheimischen eine Fiesta feiern. In Berlin privat wohnen, als alle Unterkünfte ausgebucht waren wegen einer Großveranstaltung und ein Berliner ihnen spontan Unterschlupf gewährte. Die Idee reifte heran: Einheimische zeigen ihre Stadt, denn sie sind Experten, Reisende gehen bei Stadtbewohnern essen.

Im sechsten Jahr seit der Gründung sind in Amsterdam gut ein Dutzend Locals, so nennt Esther Weeber die Ortskundigen, Reiseführer, Köche und Gastgeber, mit Like-a-local vernetzt. Wer Local werden will, muss etwas Originelles bieten. „Wir arbeiten nicht mit ausgebildeten Reiseführern zusammen, die Historisches und Daten parat haben“, erklärt Esther Weeber das Konzept. „Locals sind normale Leute. Sie sind berufstätig und finanziell nicht von Like-a-local abhängig. Sie sind ein bis zwei Mal im Monat für uns unterwegs, weil es ihnen Spaß macht, etwas aus ihrem Alltag zu zeigen. Auf diese Weise erschöpft sich auch der Enthusiasmus nicht.“

Die Amsterdamer Stadtteile Jordaan, De Pijp und das berühmte Rotlichtviertel De Walletjes sind besonders beliebt bei den Kunden, hat Esther Weeber festgestellt. Man kann mit einem Local die Stadt mit einem Boot erkunden oder Tipps erhalten für die coolsten Bars und Läden.

Beliebt sind auch die selbstgekochten Abendessen. Serviert wird in Privatwohnungen. Der Reisende und die Bewohner speisen gemeinsam. Während dieser Abendessen kann der Fremde so manches über die Niederländer und Amsterdam erfahren, über Politik, Kultur, den Alltag. „Die Touristen sind sehr am Alltagsleben der Einheimischen interessiert“, betont Esther Weeber.

Die drei regen Ladys bauen weiter an ihrem Netzwerk. In Belgrad und New York, in Australien und Brasilien, in Rom, Madrid, Indien, Puerto Rico. An vielen Orten ist es inzwischen möglich, Locals über die Webseite zu buchen. Und die Idee wurde aufgegriffen und verändert durch Initiativen wie spotted by locals oder local travel movement.com.

Tipps und Locations sind aktueller

Zwei bis vier Stunden dauern die Like-a-local-Touren und -Events in der Regel. „Das Honorar legt der Local fest“, erklärt Esther Weeber. Like-a-local erhält eine Provision. Eine Führung kostet rund 40, 50 Euro pro Person, so viel berechnen die Locals auch für ein Essen. „Die Kunden sind zwischen 35 und 60 Jahre alt“, erzählt sie. Die Jüngeren, die Like-a-local eigentlich als Klientel erwartet habe, machen sich vorwiegend über Reiseführer wie Lonely Planet oder Rough Guide schlau und fischen Tipps aus dem Internet. Was der Vorteil von Like-a-local ist? „Die Tipps sind aktueller und die Locations sind nicht voller gleichgesinnter Touristen.“

Infos unter www.like-a-local.com

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