Der Tatort am Sonntag: Mord im Altersheim

Überforderte Angehörige und Niedriglöhne im Pflegeheim, das sind zwei Aspekte, die in dem Sozialkrimi aus Leipzig eine Rolle spielen. Tatort, Sonntag, den 6. Juni, ARD, 20.15 Uhr.

Die Leipziger Tatort-Kommissare müssen den Mord in der Waschküche eines Altersheims aufklären. Bild: mdr/saxonia/steffen junghans

Wie schön, endlich findet Hauptkommissar Keppler (Martin Wuttke) wieder Anschluss. Es gibt da draußen also doch noch Menschen, die sich von seinem selbstgerechneten Gemurre nicht abschrecken lassen. Naja, Kepplers neue Freunde habe ja auch keine andere Möglichkeit: Es sind die Alten und Abgeschobenen, die Dementen und Verdrängten, die sich in diesem „Tatort“ aus dem Pflege-Milieu an ihn ran hängen.

Da ist zum Beispiel der alte Herr Holst (Joachim Tomaschewsky), der sich zwar nie merken kann, wen er da mit Keppler gerade vor sich hat, der aber immer wieder bei ihm anrufen lässt, wenn er Hilfe braucht, weil der Polizist ihm unvorsichtigerweise seine Visitenkarte dagelassen hat. Als Keppler eines Nachts in die Geriatrie gerufen wird, um den mal wieder ausgebüxten Alten einzusammeln, fällt ihm gleich auch noch eine Greisin um den Hals, die ihn zärtlich begrüßt wie einen verlorenen Sohn.

Da muss auch die grimmige Sozialwaise Keppler mal verstohlen lächeln. Und obwohl er partout nichts mit der Sache zu tun haben will, bringt er Opa Holst doch nach Hause, schließlich erklärt ihm die überforderte Nachtschwester im Krankenhaus: „Wenn sie ihn nicht mitnehmen, muss ich ihn sedieren.“ Da rennt Keppler lieber schnell dem Alzheimerpatienten hinterher, der schon im Bademantel auf der Straße steht.

Die tragikomischen Überwältigungsmaßnahmen, die den Ego-Cop in die soziale Verantwortung zwingen, sind ein guter Dreh, sich primetimekompatibel dem Thema Altenpflege zu nähern, ohne es zu banalisieren. Denn der Mord an einer Hilfspflegerin in „Heimwärts“ (Regie: Johannes Grieser, Buch: Heike Rübbert) konfrontiert den Zuschauer gleich mit zwei Aspekten der Pflege-Debatte. Zum einen geht es um die industriellen Aspekte des Themas, die hier in der Figur des dubiosen Sozialdienstleister Breuker (Dirk Borchardt) vorgeführt werden: Der Pflegedienstbebetreiber will eine Seniorenresidenz errichten und lässt sich von etwas besser betuchten, aber nicht mehr ganz wachen Patienten zur Vorfinanzierung Verfügungen zu seinen Gunsten unterschreiben. Zum anderen wird der enorme Druck auf die Familien von Demenzkranken nachgezeichnet, die schon aus Selbstschutz den richtigen Zeitpunkt finden müssen, an dem sie Vater oder Mutter entmündigen lassen.

Ohne falsche Sentimentalität und mit für den Leipziger „Tatort“ seltener Vielschichtigkeit wird anhand der Familie des niedlichen Opa Holst nachgezeichnet, was es heißen kann, einen Demenzkranken zu pflegen: Opa schreit, Opa beleidigt, Opa schmeißt das wenige Geld der Familie zum Fenster hinaus: Ein häusliches Drama, das viele widersprüchliche Gefühle heraufbeschwört.

Da hätte man auf den pflichtbewusst eingeschoben Subplot zum Themenkrimi, in dem Kommissarin Saalfeld (Simone Thomalla) mit ihrer Mutter ganz gepflegt beim Weißwein den Lebensabend bespricht, gerne verzichtet. Wie hier aufs Mehrgenerationenhaus als Lebensabendoption angestoßen wird, ist arg aufdringlich.

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