Aufklärung auf dem Kirchentag: "Das ist doch nicht igittigitt"

Wie erklärt man Kindern zeitgemäß, woher die kleinen Christen kommen? Fromme Menschen haben sich da etwas Hübsches überlegt und führen es auch gleich mal vor.

Brüste sind bloß "Verpackung" und sollen funktional sein. Bild: ap/archiv

MÜNCHEN taz | Endlich eine Veranstaltung, die verspricht, mal ganz ohne Missbrauchsdebatte über Sex zu reden, überKörper und Leidenschaft: "Werteorientierte Sexualerziehung heute." Eva Kölling, die Dozentin, heißt mich strahlend willkommen. Ich setze mich in eine kleine Gruppe ernst blickender Jugendlicher und entzückter Lehrerinnen.

"Mädchen - Frauen - Meine Tage" lautet das Motto, "wertorientierte sexualpädagogische Prävention" das Ziel. Initiatoren sind die Erzdiözese München-Freising und die Bayrische Aids-Stiftung. Die kostenpflichtigen Kurse kann man für Schulklassen und Kindergruppen buchen.

Eva beginnt auf Overhead-Folien die lustig-bunte "Zyklus-Show" zu erläutern. Grinsende Spermien tanzen auf willige Eizellen zu. Sie begegnen sich bei einer "Party". Dann nistet sich das Siegerpärchen im "Luxushotel" ein. Da hat der "Partyservice" schon ordentlich vorbereitet: wunderbare Nährstoffe, lauter Leckereien stehen bereit. Jetzt kann es sich das Kind bequem machen. Die schematischen Zeichnungen von Gebärmutter und Eierstöcken sind bekannt. Das Ganze aber als Party im Luxushotel zu betrachten, ist neu.

Und es wird immer anschaulicher: Eva zeigt eine goldene Discokugel: die Eizelle. Wie schön! Dazu gesellen sich zappelnd die frechen kleinen Spermien, bunte Rasseln mit Fipselschwänzchen.

Brüste? Nur Verpackung!

Es wäre alles ganz witzig, wäre da nicht dieser offensive, moralgetränke Aufruf, der im Raum steht wie eine hartnäckige Wolke von Haarspray und schlechtem Parfum: Frauen sollen gebären und sich darüber freuen. Alles andere ist Klimbim. Brüste zum Beispiel: bloße "Verpackung". Ob groß, ob klein, Verpackungen sind eben unterschiedlich. Hauptsache funktional. Nur bitte nicht zu medizinisch.

Eva erzählt von jungen Mädchen, die ihre Unterhosen angewidert in den Müll werfen, als sie darin zum ersten Mal angetrocknete Flecken entdecken. "Aber das ist doch nicht igittigitt!", sagt sie. Ein Begriffe wie "Ausfluss" würde das weibliche Selbstbild zerstören. Nein, was wir hier im Schlüpfer finden, das ist Zaubersaft! "Und wer hätte nicht gern einen Zaubersaft?", fragt Eva in die Runde. Die Lehrerinnen schmunzeln verständnisvoll.

Ist hier niemand außer mir peinlich berührt? Nicht wegen der Körperflüssigkeiten, sondern weil hier eine radikale Funktionalisierung und Reduzierung von Weiblichkeit vollzogen wird. Und wovor soll eigentlich die "sexualpädagogische Prävention" schützen? Von Aids ist nicht die Rede. Schutz vor Selbstbestimmung vielleicht?

Ich frage Eva, ob das alles nicht ein bisschen übertrieben und einseitig ist. Nee, gar nicht, sagt sie. Die sollen Kinder verstehen: "Du bist wertvoll und dein Körper ist es auch." Leider ist laut diesem Workshop der weibliche Körper in einer vorbestimmten und unausweichlich wichtigen Funktion wertvoll: zum Sex in den fruchtbaren Tagen. Fertig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.