Ringen um Macht nach NRW-Wahl: CDU und SPD beanspruchen Führung

Nach dem knappen Ergebnis bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen kämpfen CDU und SPD um die Macht. Beide Parteien wollen den Ministerpräsidenten-Posten besetzen.

Miteinander oder gegeneinander? Kraft und Rüttgers. Bild: dpa

KÖLN apn/afp | SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft hat Anspruch auf die Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen erhoben. "Wir haben den Auftrag, die Regierung zu bilden", sagte die Sozialdemokratin am Montag im ARD-Morgenmagazin. Das ergebe sich aus dem Wahlergebnis. Denn Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sei klar abgewählt worden – zusammen mit der Koalition, die er regiert habe. Die SPD liege ja nur einen Hauch hinter der CDU.

Zu möglichen Koalitionen – in Frage käme vor allem eine Große Koalition oder ein Bündnis von SPD, Grünen und Linkspartei – nahm Kraft nicht Stellung. "Es war für uns völlig klar, dass wir die ersten Gespräche mit den Grünen führen. Das werden wir auch tun. Alles weitere obliegt heute den Gremien der SPD."

Zu Gerüchten, wonach die SPD einen Abgeordneten der Linkspartei ins SPD-Lager herüber ziehen wolle, um so eine Mehrheit zu haben, sagte Kraft: "Es gibt jetzt viele Spekulationen. Jetzt muss man erst mal sehen, wie es weitergeht. Man muss jetzt die Gespräche führen. Das wird sicher ein paar Tage dauern."

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte bei einem Auftritt mit Kraft in Berlin: "Das Ergebnis muss dazu führen, dass Du Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen wirst."

Die Sozialdemokratin ließ keinen Zweifel daran, dass sie das Ende der schwarz-gelben Bundesratsmehrheit nutzten will, um von Düsseldorf aus in die Bundespolitik einzugreifen. "Wir können das verhindern, was wir verhindern wollen, nämlich die Entsolidarisierung der Gesellschaft, die Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke und auch diese unsäglichen Steuersenkungen, die wir wirklich nicht brauchen."

Doch auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) will sein Amt weiterführen. Er hat sich nach den schweren Verlusten für seine Partei bei der Landtagswahl für eine große Koalition in NRW ausgesprochen. "Nordrhein-Westfalen braucht eine stabile Regierung", sagte Rüttgers am Montag vor einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. Dabei verwies er auch auf die "krisenhafte Situation" am Finanzmarkt. Zugleich fügte Rüttgers hinzu: "Ich werde mich der Verantwortung stellen sowohl als Ministerpräsident als auch als CDU-Landesvorsitzender."

Bei der Landtagswahl am Sonntag wurde die bisherige schwarz-gelbe Landesregierung abgewählt, ohne dass sich jedoch neue klare Mehrheiten ergaben. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge erhielt die CDU 34,6 Prozent der Stimmen, die SPD 34,5 Prozent. Im Düsseldorfer Landtag verfügen jedoch weder Rot-Grün noch CDU und Grüne über eine Mehrheit. Möglich wäre eine große Koalition aus CDU und SPD sowie eine rot-rot-grüne Koalition. Einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hatten die Liberalen im Vorfeld eine Absage erteilt, Jamaika war von den Grünen als einzige Koalitionsoption schon vor der Wahl ausgeschlossen worden.

FDP beginnt bei Steuerpolitik umzudenken

Angesichts des Milliarden-Rettungspakets für den Euro und des Verlusts der schwarz-gelben Bundesratsmehrheit deutet sich in der FDP indes ein Umdenken beim Thema Steuersenkungen an. Spitzenpolitiker von CDU und CSU sehen in den kommenden Jahren ohnehin kaum noch Spielraum für Entlastungen.

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte am Montag nach dem Aus für Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen: "Dass auch wir wissen, dass die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat sich verändert haben, ist doch offensichtlich." FDP-Vize Cornelia Pieper erklärte im Radiosender MDR Info, die Situation sei heute eine ganz andere als noch vor einigen Wochen. "Das stellt den Haushalt vor ganz andere Anforderungen. Da muss man einige Ziele überdenken."

Der Vorsitzende der Jugendorganisation der Liberalen, Lasse Becker, sagte in Berlin, die Verengung der FDP-Themen auf die Steuerfrage habe der Partei nicht gut getan. "Wir müssen aus der Steuerfalle raus ... Wir müssen uns grundsätzlich neu aufstellen." Die Frage nach Steuersenkungen werde sich auch angesichts der veränderten Mehrheiten im Bundesrat in diesem Jahr nicht mehr stellen

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe äußerte sich im ARD-Morgenmagazin skeptisch über Steuersenkungen in dieser Legislaturperiode. "Das ist sicher nicht wahrscheinlicher geworden", sagte Gröhe. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, schloss Steuersenkungen vor dem Jahr 2013 klar aus. "Was man absehen kann, ist, dass 2011, 2012 eine Steuersenkung nicht möglich sein wird", sagte Friedrich vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München unter anderem mit Blick auf die Euro-Krise.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff sprach sich nur noch für ein einfacheres Steuersystem aus. "Man muss die Realität wahrnehmen, dass der Spielraum enger geworden ist auch durch die Steuerschätzung", sagte er vor einer Sitzung der CDU-Spitze. Nettoentlastung könne nicht das zentrale Thema sein. Es müsse wegen des Wahlversprechens aber einen Kompromiss mit der FDP geben.

Auch Saar-Regierungschef Peter Müller betonte, dass "die Möglichkeit für Steuerermäßigungen nicht besteht". Hessens Ministerpräsident Roland Koch sieht dafür im Bundesrat auch keine Chancen. Dagegen pochte CSU-Chef Horst Seehofer prinzipiell auf Steuersenkungen. "Wir geben jetzt nicht unsere politischen Ziele auf, die wir miteinander haben." Über Zeit und Umfang müsse man noch nachdenken.

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