TV-Sender France24 wird arabischer: Europäische Werte für die Welt!

Frankreichs Sender France24 will der arabischen Welt europäische Werte vermitteln, so Chefin Ockrent. Der Gattin von Außenminister Kouchner wird Vetternwirtschaft vorgeworfen.

Newsroom von France24: selbst ernannte Schaltzentrale der Demokratie. Bild: ap

Seit über drei Jahren versucht Frankreich mit seinem Fernsehsender France24 in der Liga der internationalen Nachrichtensender mitzumischen. Ein Zwerg unter den drei Riesen BBC, CNN und Al Jazeera, der sich dazu noch mit den Konkurrenten Euronews und der Deutschen Welle auseinandersetzen muss. Doch braucht die internationale Medienlandschaft überhaupt noch einen weiteren Sender? „Es gibt keinen Grund, die Araber, die Amerikaner und die Engländer dieses Gebiet dominieren zu lassen“, findet France24-Geschäftsführerin Christine Ockrent.

Vor allem möchte sich France24 im arabischsprachigen Raum etablieren. Die Sendezeit auf Arabisch soll noch im Juni diesen Jahres von zehn auf fünfzehn Stunden erhöht werden, 2011 soll es dann ein 24-stündiges Programm geben. „Es ist uns sehr wichtig, europäische Werte wie die Würde der Frau, die Bildung und den Laizismus auf Arabisch zu vermitteln. Wir möchten, dass diese Werte, die in Europa seit Jahrhunderten erkämpft wurden, Zuschauer im mittleren Orient, aber auch arabische Muttersprachler in Europa erreichen.“

Genau darum geht es France24. Schließlich müsse man Al Jazeera nicht den gesamten Markt überlassen. Der arabische Sender würde anscheinend auch eine französische Redaktion aufmachen, da müsse man ja nicht tatenlos zusehen, so die France24-Geschäftsführerin Ockrent. „Europa sollte sich nicht aus wichtigen internationalen Debatten heraushalten. Wenn undemokratische Regimes in die Medien der Globalisierung investieren, müssen wir etwas erwidern.“

Schon Ende der achtziger Jahren hatte Jacques Chirac, damals amtierender Premier Minister Frankreichs, die Idee zur Gründung eines internationalen Nachrichtensenders, der Frankreichs Werte in der Welt vermitteln sollte. 2006 wird France24 gegründet und sendet erstmals auf französisch, englisch und arabisch. Heute zählt der Sender etwa 21 Millionen Zuschauer in Europa, Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie in New-York und Columbia.

Christine Ockrent leitet den Sender seit Anfang 2008. Die belgische Journalistin und Ehefrau des französischen Außenministers Bernard Kouchner hat ebenfalls die Geschäftsleitung der staatlichen Holding Audiovisuel Extérieur de la France (AEF) inne, die öffentlich-rechtlichen Sender France24 und TV5 Monde, sowie die Rundfunkstationen Radio France Internationale (RFI) und Monte-Carlo-Doualiya unter einem Dach vereint.

Ockrent weist darauf hin, dass eine weitere Stärke von France24 die regelmäßige Berichterstattung über europäische Themen sei. Diese würden vom amerikanischen Konkurrenten CNN so gut wie gar nicht kommentiert und vom britischen BBC nur sehr wenig beachtet werden. Weitere Redaktionen in europäischen Sprachen hält sie jedoch für überflüssig. Ihr Vorgänger bei France24, Gérard Saint-Paul, hatte bei der Eröffnung des Senders 2006 noch eine deutsche Redaktion in Erwägung gezogen.

Das sei aber schon drei Jahre her, sagt Ockrent und erklärt, dass sich die Strategie des Senders sich geändert habe. Die Abschaffung der deutschen Redaktion sowie fünf weiterer Sprachen beim Radiosender RFI findet sie dabei legitim. „Man kann nicht weiterhin so tun, als sehe die Karte Europas so aus wie in den 60er Jahren. Die Mauer ist seit 20 Jahren gefallen.“. Hingegen sei es sinnvoller, in Sprachen wie Arabisch, Russisch und Mandarin oder in afrikanische Dialekte wie Swahili zu investieren.

Diese Strategie setzt Christine Ockrent konsequent durch. Dabei war ihre Ernennung 2008 zur Geschäftsführerin von France24 und AEF in Frankreich ein echter Skandal. Als Frau des Außenministers wurde ihre Glaubwürdigkeit als unabhängige Journalistin und Chefin in Frage gestellt. Auch der von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy beschlossene Zusammenschluss von France24, RFI und TV5 Monde sorgte für Aufsehen. Belgien, die Schweiz und Quebec, die zusammen 49% der Anteile von TV5 besitzen, fühlten sich damals übergangen. „Dieses Missverständnis haben wir längst aus der Welt geschafft.“ beteuert Ockrent heute.

Auf die Frage nach der politischen Unabhängigkeit von France24 entgegnet sie: „Öffentliche Gelder sind keine politischen Gelder“. Dennoch bleibt ein kleiner Nachgeschmack von Vetternwirtschaft: Ockrents Einzug an die Spitze von France24 und AEF war schließlich die Idee von niemand geringerem als Sarkozy selbst.

ALICE LORTHOLARY & ALEXANDRA FRIEDMANN

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