Flugverbot gelockert: Auf Sicht durch die Wolke

800 Flugzeuge heben ab, um Gestrandete nach Hause zu bringen - obwohl unklar ist, wie gefährlich die Asche ist. Am Wochenende soll sich der Wind drehen.

Die Zeit der leeren Abfertigungsschalter scheint vorbei zu sein. Bild: dpa

BERLIN taz | In ein paar Tagen könnte der Spuk, den der isländische Vulkan über Europa bringt, vorbei sein. Denn zum Ende der Woche deutet sich eine Richtungsänderung der Luftströmung über Island an, wodurch dann möglicherweise neu in die Luft gepustete Asche Richtung Arktis schweben würde - der Aschewolke über Mitteleuropa würde dann der Nachschub fehlen.

Ursache dafür sei ein Tiefdruckgebiet, das sich dann über Island entwickle, teilte die Weltwetterorganisation WMO mit. Dieses Tief werde zudem Regen bringen und die Asche in tieferen Luftschichten auswaschen. Derzeit scheine der Vulkan hauptsächlich Dampf und nur noch wenig Asche auszustoßen. Allerdings könnten die Eruptionen jederzeit neu beginnen.

Zunächst einmal bleibt aber die nordwestliche Strömung zwischen hohem Luftdruck über Irland und tiefem Luftdruck über Skandinavien erhalten. "Dadurch wird in den nächsten Tagen maritime Polarluft aus dem isländischen Raum nach Mitteleuropa transportiert", so Stefan Külzer vom Deutschen Wetterdienst. Bei anhaltender Tätigkeit des Vulkans würden weiterhin große Mengen Vulkanasche nach Mitteleuropa verfrachtet.

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Trotz des Flugverbots in Deutschland flogen am Dienstag hierzulande immer mehr Maschinen - auf Sicht. Rund 800 Flugzeuge - weniger als ein Zehntel der sonst üblichen Zahl - waren unterwegs, vor allem um gestrandete Urlauber nach Hause zu bringen. Möglich wurde dies durch eine Ausnahmeregelung, mit der für diese Flüge die Verantwortung nicht mehr bei der Deutschen Flugsicherung, sondern bei den Piloten lag.

Von der Pilotengewerkschaft Cockpit hagelte es Kritik. Die Lufträume sollten gesperrt bleiben, bis genügend Daten vorliegen, fordert Cockpit. Internationale Regelungen ließen keinen Zweifel daran, dass der Luftraum in kontaminierter Umgebung geschlossen bleiben müsse. Die Pilotenvereinigung hält es zudem nicht für plausibel, zwischen Sicht- und Instrumentenflug zu unterscheiden: "Entweder der Luftraum ist sicher oder er ist es nicht", so Cockpit.

Ein Messflug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hatte bestätigt, dass sich Vulkanasche über Deutschland befindet. Die konkreten Daten wurden zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch ausgewertet. Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg kritisierte, die Verantwortung werde komplett auf die Piloten abgeschoben. Seine Kollegen und er fühlen sich von den Fluglinien unter Druck gesetzt.

Der Präsident des Verbands deutscher Arbeitsrechtsanwälte, Michael Henn, sagte: "Wenn der Pilot den Flug für unsicher hält, kann er ihn verweigern."

Europaweit kam der Flugverkehr sukzessive wieder in Gang. Nach Angaben der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol waren etwa 14.000 Flüge geplant, rund die Hälfte der sonst üblichen Anzahl. In Frankreich nahmen die Pariser Flughäfen Roissy und Orly den Verkehr wieder auf. Auch in Belgien, Lettland, Norditalien, Ungarn und in der Schweiz wurden die bislang geltenden Flugverbote aufgehoben. Flugverbote gab es dagegen in Großbritannien, Polen, Irland und Finnland.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ruderte bei möglichen Hilfen für Fluggesellschaften und Touristikkonzernen, die unter den Flugverboten leiden, zurück. "Zunächst mal ist es Aufgabe der Unternehmen, damit fertig zu werden." EU-weit koordinierte Staatshilfen wolle er aber nicht ausschließen.

Ein Tag kompletter Flugausfall führt nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zu Umsatzeinbußen in Höhe von rund einer Milliarde Euro. Darin einberechnet ist der Anteil der - vergleichsweise teuren - Luftfracht bei den Ausfuhren sowie die Einbußen der Touristikkonzerne. Ein Teil der Einbußen werde aber nach dem Ende des Flugverbots wieder wettgemacht werden.

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