Proteste im Iran angekündigt: Mussawi ruft zu Großdemo auf

Das iranische Regime will die angekündigten Proteste verhindern. Inzwischen geht es der Opposition nicht mehr nur um freie Wahlen, sondern auch um die Misere der Wirtschaft.

Setzt auf Victory: Oppositionelle in Teheran. Bild: dpa

Der 11. Februar, an dem die Islamische Republik Iran den 31. Jahrestag ihrer Gründung begeht, könnte als ein wichtiger Tag in die Annalen der iranischen Geschichte eingehen. Während das Regime alles in Bewegung setzt, um die Massen für die offiziellen Feiern zu mobilisieren, haben sämtliche Parteien und Organisationen, die der Regierung kritisch gegenüberstehen, zu Demonstrationen aufgerufen.

Anlass der seit acht Monaten andauernden Proteste war der Betrug bei der Präsidentenwahl im Juni 2009. Das Regime reagierte mit Gewalt. Demonstranten wurden erschossen, vergewaltigt und zu Tode gefoltert. Es gab Schauprozesse mit erzwungenen Geständnissen, Todesurteilen und Hinrichtungen.

Dennoch scheint die Opposition zum Widerstand entschlossen. Die beiden Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi appellierten am 30. Januar an ihre Anhänger, sich von der Gewalt nicht einschüchtern zu lassen, und forderten sie auf, mit ihnen gemeinsam am 11. Februar für freie Wahlen, Aufhebung der Pressezensur, Freilassung der politischen Gefangenen und Versammlungsfreiheit zu demonstrieren.

In einem aufsehenerregenden Interview mit der ihm nahestehenden Website Kalameh warf Mussawi den Machthabern die Rückkehr zur Diktatur vor. "Ich hatte geglaubt, mit der Revolution von 1979 und dem Sturz des Schahregimes hätten wir die Diktatur endgültig abgeschafft. Diesen Glauben habe ich längst verloren", sagte er. Die überfüllten Gefängnisse, Folterungen und Hinrichtungen bestätigten, dass die Wurzeln der Diktatur nicht beseitigt worden seien.

Mussawi warf den Machthabern Verfassungsbruch vor. Die Justiz habe ihre Unabhängigkeit verloren, sagte er, sie sei zum Befehlsempfänger der Sicherheitsdienste geworden. Auch das Parlament sei nicht mehr imstande, seine Aufgaben wahrzunehmen. Die Volksvertretung sei gegenüber Regierung und Militärs machtlos. Die Regierung verfüge willkürlich über die staatlichen Einkünften, fühle sich niemandem verantwortlich, die Wirtschaft liege brach, Armut und Arbeitslosigkeit nähmen rapide zu.

Mussawi und Karrubi gehören ebenso wie der ehemalige Staatspräsident Mohammed Chatami der Reformbewegung an. Ihr Ziel ist nicht der Sturz des Regimes, sie streben Reformen im Rahmen der Verfassung an. Doch die Opposition ist nicht einheitlich. Es gibt beachtliche Kräfte, die die Abschaffung des Systems und die Gründung eines von der Religion getrennten Staates verlangen. Mit Blick auf diese Kräfte mahnte Mussawi, keine Forderungen zu stellen, die die religiösen Gefühle verletzen könnten. Er fügte aber hinzu: "Die Verfassung ist keine Offenbarung Gottes." Sie könne, wie bereits geschehen, korrigiert werden.

Um die für den 11. Februar landesweit zu erwarteten Protestdemonstrationen zu verhindern, hat das Regime eine seit Jahren beispiellos harte Gangart eingelegt. Der Vorsitzende des Wächterrats, Ahmad Dschanatti, bedankte sich in seiner Freitagspredigt bei der Justiz für die Hinrichtung zweier Angeklagten und forderte, den Kurs fortzusetzen: "Wir dürfen nicht nachsichtig sein, sonst steht uns eine schreckliche Zukunft bevor."

Dieser Warnung folgend, kündigte der hochrangige Justizvertreter Ebrahim Raisi die baldige Hinrichtung von neun weiteren Demonstranten an. Den Verurteilten wird vorgeworfen, sich mit dem "Ziel eines Umsturzes" an den Unruhen beteiligt zu haben. Die Proteste seien von außen gesteuert, das Ziel sei die Durchführung einer samtenen Revolution, sagte Raisi. Die Justiz werde die Schuldigen mit aller Härte verfolgen.

Die Revolutionswächter kündigten an, am Jahrestag jeden, der bei den offiziellen Feierlichkeiten aus der Reihe tanzt und durch regierungsfeindliche Parolen die Einheit des Volkes zu stören versucht, festzunehmen und als "Agent ausländischer Geheimdienste" anzuklagen.

Die Polizei versicherte, sie sei in der Lage, jede "Verschwörung gegen den islamischen Staat" im Keim zu ersticken. Eine Abteilung, die für die Sicherheit Teherans verantwortlich ist, erklärte sogar, sie werde am 11. Februar gemeinsam mit der Bevölkerung "das endgültige Ende der Verschwörung feiern".

Bei den Unruhen am 28. Dezember waren nach offiziellen Meldungen acht Personen getötet und mehr als tausend verhaftet worden. Für den 11. Februar werden weit heftigere Auseinandersetzungen erwartet. Wie schon früher soll auch dann allen ausländischen Korrespondenten jede Berichterstattung über Unruhen verboten werden. Es ist auch davon auszugehen, dass das Regime Internet-, SMS- und Telefonverbindungen stark einschränken wird. Zahlreiche iranische Journalisten sind bereits in Haft, ebenso wie aktive Studenten und Menschenrechtler.

Im Iran geht es nicht nur um den Wahlbetrug und freie Wahlen. Die katastrophale Wirtschaftslage, die Verletzung der Menschenrechte und Gefahren wie Sanktionen und Krieg, die dem Land von außen drohen, sind tiefere Gründe für Unzufriedenheit und Protest. Ob es dem Regime gelingt, das Volk zum Schweigen zu bringen, wird sich am 11. Februar erweisen.

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